Seit kurzem ist es in Deutschland im richtigen Kontext erlaubt, verfassungsfeindliche Symbole wie das Hakenkreuz in Videospielen abzubilden. Attentat 1942 ist das erste in Deutschland erschienene Spiel, dass das macht. Aber muss es das überhaupt? Von Louis Oelmann.
Attentat 1942 lässt sich am ehesten als interaktive Geschichte beschreiben. Es behandelt die Geschehnisse rund um das Attentat auf den damaligen stellvertretenden Reichsprotektor Reinhard Heydrich am 27. Mai 1942 in Prag. Daher auch der Name. Bereits seit Ende Oktober 2017 ist das Spiel der Karls-Universität Prag und der Akademie der Wissenschaften der Tschechischen Republik international verfügbar. Erst am 10. September dieses Jahres gab es grünes Licht für Deutschland.
Hakenkreuze? Nein, danke!
Lange Zeit gab es für Games keine Möglichkeit, verfassungsfeindliche Symbole wie das Hakenkreuz zu zeigen und gleichzeitig für den deutschen Markt freigegeben werden. Grund dafür waren die Paragraphen 86 und 86a im deutschen Strafgesetzbuch, die das Verbreiten von Propagandamitteln und das Verwenden von Kennzeichen verfassungswidriger Organisationen unter Freiheitsstrafe stellen. Spielen wie Wolfenstein wurde von der USK die Prüfung verwehrt. Statt einer Alterseinstufung kam ein Veröffentlichungsverbot auf das Spiel zu. Folglich durften die Spiele in ihrem ursprünglichen Zustand nicht in Deutschland erscheinen.
Ein Tagebuch aus der Nazi-Zeit. Hier ein Hakenkreuz zu finden, wäre nicht ungewöhnlich. © Karls-Universität Prag und Akademie der Wissenschaften der Tschechischen Republik
Um den wirtschaftlich starken deutschen Spielemarkt aber nicht außen vor zu lassen, entschieden sich die Entwickler verschiedenster Spiele, spezielle geschnittene Versionen für das deutsche Publikum zu veröffentlichen. Hakenkreuze wichen unproblematischen Ersatzsymbolen. Die USK war damit zufrieden.
Vor allem in der Gaming-Community kam aber immer wieder die Frage auf, warum die Spiele denn überhaupt zensiert wurden. Immerhin blieben Filme wie Inglourious Bastards von Paragraph 86/a verschont, da sie unter dem Kunstbegriff ausgeklammert wurden. Warum galt das nicht für Games? Das bleibt weiterhin ungeklärt.
Zeiten ändern sich
Fest steht aber, dass solche Spiele seit August 2018 nun doch geprüft werden. Die USK nimmt seitdem Einreichungen von Spielen an, die vorher durch Paragraph 86/a von vornherein ausgeschlossen waren. Natürlich handelt es sich dabei aber nicht um einen Freifahrtschein für Wiederbetätigung in Videospielen. Unter dem Stichwort “Sozialadäquanz” wird weiterhin untersucht, ob das Spiel und der Einsatz der verfassungswidrigen Symbole, nun ja, sozial adäquat ist und in tragbaren Kontexten dargestellt wird.
Eine frohe Botschaft für die Macher von Attentat 1942. Das Spiel verfolgt einen rein historischen Ansatz und wirkt eher als interaktives Geschichtsbuch. Weit und breit keine vom Strafgesetzbuch verbotene Propaganda.
Hakenkreuze in historischem Kontext
Dieser Ansatz ist auch der Grund für die zeitweilige Indizierung. Aber beginnen wir am Anfang der Story. Attentat 1942 behandelt das Attentat auf Reinhard Heydrich, auch Operation Anthropoid genannt. Wir spielen das Enkelkind vom fiktiven Jindřich Jelínek, der nach dem Attentat 1942 von der Gestapo verhaftet wird. Im Jahr 2001 erfahren wir durch unsere ebenfalls fiktive Großmutter Ludmila Jelínková von dieser Geschichte. Ziel des Spiels ist es nun, durch Gespräche mit Zeitzeugen die Geschehnisse von 1942 Stück für Stück zu rekonstruieren.
Bei jedem Zeitzeugen gibt es verschiedene Informationen zu sammeln. © Karls-Universität Prag und Akademie der Wissenschaften der Tschechischen Republik
Das Spiel reichert diese Gespräche durch Live-Action-Szenen, kleine Minispiele, interaktive Comics und authentisches Foto- und Videomaterial an. Letzteres war ausschlaggebend für die Indizierung des Titels. Authentisches Material aus der Nazizeit beinhaltet wohl oder übel das ein oder andere Hakenkreuz. Ob diese notwendig waren? Wer weiß. Jedenfalls schaden sie nicht, sondern bilden nur die Vergangenheit ab. Was hätte es auch für einen Sinn, den Mantel des Schweigens über eine nicht zu leugnende Vergangenheit zu legen?
Zudem kann niemand behaupten, dass Attentat 1942 nicht versuchen würde, das Abgebildete in einen vernünftigen historischen Kontext zu stellen. Zu jeder Zeit kann man auf eine Enzyklopädie zugreifen, die uns umfangreiches Hintergrundwissen zu Dingen bietet, über die wir im Spiel bereits etwas erfahren haben. Umfangreich ist hierbei fast eine Untertreibung. Wer jeden einzelnen Text lesen will, den das Spiel zu bieten hat, der könnte sich sprichwörtlich dumm und dämlich lesen.
Geschichte zum Erleben
Wer sich aber für die Geschichte interessiert, der findet in Attentat 1942 ein Stück interaktive Geschichte. Ein sehr löbliches Ziel, das den authentischen Einsatz von Hakenkreuzen meiner Meinung nach auf jeden Fall rechtfertigt.
Attentat 1942 darf sich nun zudem “Erstes Spiel mit Hakenkreuzen, das offiziell in Deutschland erschienen ist” auf die Fahnen schreiben. Das ist doch mal was. Außerdem ist die Entscheidung der USK, Spiele mit verfassungsfeindlichen Symbolen wenigstens zu überprüfen, ein Schritt in die richtige Richtung. Vielleicht gibt es ja in der Debatte “Games als Kunst” auch bald eine Wendung.
[amazon_link asins=’B0721BG7ZX,B01M9JHHVV,B002UI2QES‘ template=’ProductGrid‘ store=’screamingpixe-21′ marketplace=’DE‘ link_id=’40e3ea31-bd7d-11e8-8b16-effea97703b6′]