Binding of Isaac: Der bessere Religionsunterricht

The Binding of Isaac ist ein von Edmund McMillen entwickeltes Indiegame. Man spielt Isaac, einen kleinen Jungen, der mit seinen Tränen seine Ängste in Form von Gegnern bekämpft. Soweit, so verstörend. Um den 2D-Dungeoncrawler ranken sich unzählige Fantheorien.

Religionsunterricht

Eine davon ergibt sich schon  durch den Titel des Spiels: Die Bibelgeschichte von Isaak. Für diejenigen, die damals im Religionsunterricht die Bibel nicht lesen mussten, eine kurze Zusammenfassung:

The Binding of Isaac, auch bekannt als “The Binding” oder “Akedah”, ist eine Geschichte, aus dem Buch Genesis. Gott befiehlt Abraham, seinen Sohn Isaak zu opfern. Kurz bevor der Mann dieses Opfer bringt, erscheint ein Engel und belohnt ihn für seine Ehrfurcht mit der Gottesfrucht. Isaak wird also nicht wirklich geopfert, deswegen spricht man auch von der „Bindung“.

Genug Religionsunterricht. Was hat das mit dem Videospiel zu tun?

„Isaac and his mother“

Mit diesen Worten beginnt das Intro des Spiels. Man sieht, dass die beiden ein gutes Leben führen. Eine Erzählerstimme spricht im Voiceover. Man erfährt, dass Isaacs Mutter christliche Sendungen schaut. Eines Tages befiehlt ihr eine Stimme, die sie für Gott hält, Isaac zu opfern. Die Mutter nimmt daraufhin ein Messer und versucht den Jungen zu töten.

Isaacs Mutter versucht ihn zu erstechen.

Isaacs Mutter versucht ihn zu erstechen.

Eine Bibel fällt aus dem Regal und so kann Isaac durch eine Falltüre entkommen. Auch hier kann man wieder Parallelen zu der Bibelgeschichte ziehen. Im letzten Moment wird die Mutter, wie auch schon Abraham, durch ein göttliches Zeichen davon abgehalten, den eigenen Sohn zu opfern.

Natürlich gibt es Theorien, die behaupten, dass dies alles nie passiert sei und, dass es bei The Binding of Isaac um die Themen Depression und Selbstmord geht, aber zu diesen Theorien kommen wir eventuell in einem anderen Artikel. Sobald Isaac also durch die Falltüre springt, beginnt das Spiel. Und von da an wird man mit christlichen Symbolen regelrecht zugeschüttet. Dies beginnt schon bei den Gegnern.

Todsünden und Apokalyptische Reiter

Einige Bosse wurden direkt biblischen Figuren nachempfunden. Manche Vertreter, wie zum Beispiel die sieben Todsünden, sind hierbei rein katholische Symbole. Sie werden als Minibosse auf den Ebenen verstreut.

Zudem begegnet man den apokalyptischen Reitern. Bereits auf der ersten Ebene hat man die Möglichkeit, gegen einen von ihnen antreten zu müssen. Dass Isaac gegen diese kämpfen muss, steht symbolisch für den Kampf gegen die Religion, wegen der seine Mutter ihn umbringen will.

Der Kampf gegen einen Reiter beginnt.

Der Kampf gegen einen Reiter beginnt.

Die Reiter stehen in der Bibel für den Beginn der Apokalypse, für das Herannahen des jüngsten Gerichts. Krieg, Tod, Hunger, Krankheit, und schließlich der Sieg, Reinheit und Gerechtigkeit. Auch diese Themen lassen sich auch auf Isaac anwenden: Isaac kämpft gegen die Vernachlässigung seiner Mutter. Er assoziiert ihre Taten mit den Bibelgeschichten.

Auch weitere Gegner, die im laufe des Spiels auftauchen, bedienen sich biblischen Charakteren. Zum Beispiel der „Duke of Flies“. Umgangssprachlich wird Belzebub, ein phillistischer Dämon, auch Herr der Fliegen genannt.

Yes, mother

Nachdem man sich durch die ersten Ebenen gekämpft hat, trifft man auf einen besonderen Boss: Mutter. Sie ist gleich zweimal als Endgegner vertreten. Zuerst kämpft man gegen Mutter, danach, zwei Ebenen später, gegen ihr Herz.

Die Womb Ebenen führen zu Moms Heart.

Die Womb Ebenen führen zu Moms Heart.

Das Interessante beim Kampf gegen die eigene Mutter ist, dass man sie mit dem Item „The Bible“ onehitten kann. Zur Itemsymbolik aber später mehr.

Himmel und Hölle

Nachdem man Mom’s Heart besiegt hat, hat man zwei Möglichkeiten. Entweder man hüpft in eine Falltüre und begibt sich in die Hölle um gegen Satan und The Lamb zu kämpfen, oder man folgt einem Lichtkegel in den Himmel. Hier sind die beiden finalen Bosse Isaac selbst und das Blue Baby.

Fangen wir mit der Hölle an. Nachdem man auf der ersten Höllenebene Satan besiegt hat, kommt man auf die finale Ebene. Hier kämpft man gegen The Lamb. Im christlichen Glauben steht das Lamm für eine wehrlose Seele, für Verletzbarkeit. Es ist ein göttliches Symbol, kein satanisches. Alleine dieser Umstand ist schon spannend. Kämpft Isaac also gegen seine eigene Verletzbarkeit?

Dieser Gedanke bestätigt sich, wenn man den Himmelsweg geht. Auf der ersten Himmelsebene, der Kathedrale, kämpft man gegen sich selbst. Das besiegen der eigenen Fehler, das Gefühl, selbst an der Situation schuld zu sein und sich selbst bestrafen zu müssen, wird hier klar deutlich.

Der letzte Gegner am Himmelsweg ist das Blue Baby. Auf den ersten Blick repräsentiert es eine hilflose Seele. Wenn man sich jedoch die verschiedenen Enden des Spiels ansieht, merkt man, dass das Blue Baby nur eine andere Version von Isaac selbst ist.

Nicht nur die Ebenen an und für sich, sondern auch einzelne Räume haben eine große Bedeutung für das Gesamtkonzept.

Opfere dich

Ein Detail, das allerdings auch wieder mit dem Akt der Opferung Isaacs zu tun hat, findet sich in den  “Sacrifice Rooms”. Diese Räume können auf jeder Ebene auftauchen. Sie sind leer. In der Mitte sind Stacheln am Boden. Isaac nimmt schaden, wenn er über diese läuft und opfert sich sozusagen selbst.

Im Opferungsraum kann man Schaden nehmen, um gesegnet zu werden.

Im Opferungsraum kann man Schaden nehmen, um gesegnet zu werden.

Es gibt eine Wahrscheinlichkeit, dass bei der Opferung Kisten oder Loot droppen. Je öfter man sich opfert, desto höher wird die Wahrscheinlichkeit, dass man ein „You’ve been blessed“ zu lesen bekommt. Dies erhöht die Wahrscheinlichkeit nach dem Bosskampf einen Angeldeal zu bekommen.

Die Angel- und Devildeals sind besondere Räume, die nach einem Bosskampf auftauchen können, wenn man auf der Ebene keinen Schaden nimmt. Hier kann man zusätzlich Items finden.

Dass Isaac gesegnet wird, weil er sich selbst opfert und somit in der Gunst Gottes steht, ist ein bizarres Detail. Jedoch auch ein wichtiges Puzzlestück zur Bibelreferenz. Wenn man sich, während man ein bestimmtes Item trägt dort opfert, schaltet man einen neuen Charakter frei. Die spielbaren Charaktere sind auch biblischen Figuren nachempfunden.

Maggi, Lilith und co.

Da hätten wir zum Beispiel Magdalene, natürlich eine Anspielung auf Maria Magdalena, oder auch Lilith.

Lilith wird in Überlieferungen als die erste Frau Adams beschrieben. Sie war ihm nicht gehorsam, Gott verjagte sie. Sie ließ sich an der Küste des roten Meeres nieder und zeugte Kinder mit einem Dämon. Gott ließ aus Wut 100 ihrer Kinder töten, woraufhin Lilith zum kindermordenden Dämon wurde.

Charakterauswahl. Mit welchem Bibelcharakter spielst du?

Charakterauswahl. Mit welchem Bibelcharakter spielst du?

Im Spiel trägt sie eine Augenbinde und kann nicht selbst schießen. Sie hat ein Begleiterbaby dabei, das für sie schießt. Dies könnte man auf die Kinder Liliths zurückführen. Außerdem sieht der Charakter mit seinen Hörnern generell sehr dämonisch aus.

Ein weiterer Dämon, der in The Binding of Isaac seinen Platz als spielbaren Charakter einnimmt, ist Azazel. Als Wüstendämon wurden ihm beim jüdischen Sühnefest die Sünden des Volkes Israel aufgeladen. Er wurde also sprichwörtlich zum Sündenbock.

Neben den eher unbekannten Charakteren Lilith und Azazel sind auch die großen Bibelnamen vertreten. Wie zum Beispiel Cain (Kain und Abel), Eve, Eden oder Judas. Ein schönes Detail: Judas hält zu Beginn das „Book of Belial“, eine Formel zur Beschwörung eines Dämons. Viele weitere Items wurden religiösen Symbolen und Büchern nachempfunden.

Itemsymbolik

Wie für einen Dungeoncrawler üblich, basiert The Binding of Isaac darauf, Items zu sammeln und somit stärker zu werden.

Einige Items verändern Isaacs Aussehen… nicht gerade zum Guten.

Die wohl offensichtlichste Anspielung an Religion ist die Bibel. Mit ihr kann man, wie schon erwähnt, Mom onehitten. Aber sie hat auch einen Gegenpart: Die satanische Bibel. Jedoch ist diese ein Special Item, und kann nur in Devildeals  gefunden werden.

Neben diesen offensichtlichen Items, gibt es eine Reihe anderer, die auch an die christliche Geschichte angelehnt sind. Alle zu erwähnen würde allerdings den Rahmen sprengen, also beschränken wir uns auf ein paar.

Da wäre zum Beispiel „Blood of the Martyr“. Eine Dornenkrone. Durch das Blut des Märtyrers erhält Isaac einen Damageboost. Zudem kann man auch „The Halo“, also einen Heiligenschein finden. Außerdem gibt es noch eine Nonnenhaube, einen Rosenkranz, ein Pentagramm oder einen Papsthut.

Man kann neben aktiven und passiven Items auch kleine Begleiter finden, die einem helfen. Hier wären zum Beispiel der Guardian Angel und das Demonbaby zu nennen.

Im Angeldeal gibt es besondere Items zu finden.

Im Angeldeal gibt es besondere Items zu finden.

Ein weiteres sehr interessantes Item wäre Abaddon. Abaddon ist hebräisch und bedeutet Vernichtung, Abgrund, Untergang, Verderben. Im neuen Testament wird der Engel des Abgrunds Abaddon (oder auch Apollyon – ein Charakter, der im Afterbirth DLC zu einem spielbaren Charakter wurde) genannt. Laut der Offenbarung ist Abaddon der Herr über die dämonischen Heuschrecken.

Weitere symbolträchtige Items wären: The Book of Revelations, The Book of Sin, The Mark, The Pact, Whore of Babylon, Stigmata und noch viele weitere. Ihr seht, die Liste ist nahezu endlos. Und mit den DLCs Rebirth, Afterbirth und Afterbirth+ kamen noch viele weitere Items und Theorien dazu.

Die Offenbarung

Die Art und Weise, wie das Spiel einem die Geschichte näher bringt, über kurze Cutscenes und Items, ist perfekt gewählt. Spieler, die sich nicht weiter mit der Materie beschäftigen wollen, müssen das nicht. Und Spieler, die sich mit der Bibel auskennen, beziehungsweise sich die Arbeit machen, sich in die Geschichten einzulesen, werden mit Hintergrundwissen belohnt.


Bebilderung: © Edmund McMillen

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Gast Kommentar

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