Danke für gar nichts, E3-Awards

Die Games Critics Awards der E3 haben ein großes Problem: Sie sind den Webspace nicht wert, auf dem man sie nachlesen kann. Aber muss das wirklich so sein?

Die Games Critics Awards zur E3 sind da! Der große Abräumer ist dabei Nintendo – ganze 4 Awards konnten die Japaner einsacken – aber auch Ubisoft, EA und Microsoft konnten ihren Anteil an Auszeichnungen mit nach Hause nehmen – immerhin jeweils 2.

Da kommt natürlich Freude auf. Tolle Spiele wurden da bewertet. Spiele mit großem Potential, die schon jetzt ein Menge Spaß für Spieler überall auf der Welt bringen. Nein. Halt. Das stimmt so nicht.

Keine Spiele, sondern…

Tatsächlich werden auf der E3 nämlich keine Awards für Spiele verliehen, die es schon gibt. Das bringt ja auch nicht wirklich was. Immerhin geht es auf der Messe ja auch darum, kommende Titel vorzustellen. Stattdessen bewertet die Jury aus 38 internationalen Medien, welche der Spiele auf der E3 am besten gewirkt haben.

Die Kollegen von unter anderem Ars Technica, IGN, Gamestar und Level Up picken sich also Spiele raus, die auf der Branchenmesse in Los Angeles einen guten Eindruck hinterlassen haben. Dabei ist im Regelwerk verankert, dass diese Spiele schon in der Halle anspielbar sein mussten.

Was das bedeutet, ist relativ schnell klar:

… geile Demos

Selbstredend wird sich kein Publisher schlechte Aspekte aus seinem Spiel herauspicken, um sie auf der E3 zu präsentieren – würde ja auch irgendwie an deren Ziel und Aufgabe vorbeischießen. Stattdessen picken sich die Ubisofts, EAs und Nintendos dieser Erde die besten, spannendsten und unterhaltsamsten Teile ihrer noch unfertigen Spiele heraus, um sie der Gamingwelt zu demonstrieren.

Was die 38 Kollegen der weltweiten Jury – die immer noch sehr USA-lastig ist, aber das ist ein Thema für einen anderen Artikel – also gerankt haben, waren de facto keine Spiele. Es waren noch nicht einmal einzelne Szenen unfertiger Spiele. Was sie gerankt haben, war, wie toll die Publisher dieser Welt sich vermarkten können. Gleichzeitig verkaufen sie – und allen voran natürlich die E3 und die Publisher selbst – das aber so, als würde man tatsächlich Spiele bewerten.

Wozu?

Warum das überhaupt passiert, ist offensichtlich. Sowohl die Publisher, die Messe und gleichsam auch die Journalisten, die hier mitbestimmen, haben ihr eigenes Interesse, dieses seltsame Phänomen namens Messe-Awards am Leben zu erhalten.

Die Messe gewinnt an Bedeutung, denn man muss sich ja auch in Zukunft noch Besucher und vor allem Aussteller sichern.

Die Publisher bekommen gratis Pulver für ihre Marketing-Kanonen.

Und die Journalisten können wieder mal von ihrem Elfenbeinturm herunterpredigen und bekommen billig Content.

Alles in allem ergibt das ein System, dass man als Selbstbeweihräucherung – so man nett ist – oder genauso gut auch als Circle-Jerk – so man weniger nett sein sollte – der Industrie bezeichnen kann. In anderen Worten: Es ist ein sich selbst reproduzierendes System, in dem jeder Akteur größtes Interesse daran hat, es am Leben zu erhalten.

Einfach wegschauen

Gleichzeitig gehen dabei jene Punkte des Bullshit-Bingos der E3 in den großen Medien völlig unter, die eigentlich wirklich besprochen werden sollten. So zum Beispiel die Tatsache, dass das angebliche 4K der Xbox One X gar nicht so 4K ist, wie es eigentlich sein sollte. Metro Exodus lief für die Präsentation nicht auf einer dieser Konsolen mit dem furchtbar verwirrenden Namen, sondern auf einem PC mit ähnlichen Specs. Und Assassin’s Creed Origins lief nicht in nativem 4K, sondern wurde für die Show hochgerechnet.

Nicht, dass wir uns so um 4K reißen würden – vor allem, da es nicht mehr wirklich erkennbar für das menschliche Auge ist –, aber wenn es schon jemand verspricht, wäre es auch schön, wenn man es wirklich zu sehen bekäme.

Noch ein WTF-Moment der E3, bzw. der Games Critics Awards: Der Sieger der Kategorie Familienspiel, Hidden Agenda, ist ein Psychothriller, in dem mehrere Spieler auf die Geschichte einwirken. Mord und Totschlag inklusive. Wahnsinnig familienfreundlich.

 

Ein Appell

Doch darum sollte es ja eigentlich gar nicht gehen. Zurück zum allseits beliebten Circle-Jerk der Industrie – über die Nettigkeit des Autors darf nun debattiert werden – und zu der Tatsache, dass hier einfach mal Spiele gerankt werden, über deren tatsächlichen Spielspaß bisher noch nichts tatsächlich Nützliches ausgesagt werden kann:

Muss das sein? Müssen sich Journalisten in diese globale Marketingmaschinerie der Branche hineinzerren lassen und PR-gefärbten Content auf die Welt loslassen, nur um sich geil und wichtig zu fühlen? Oder könnte man stattdessen wieder das machen, wofür das Auge des Journalisten hier eigentlich da ist?

Einen kritischen Blick auf die Welt bewahren. Die Dinge hinterfragen, die man nur aus einer gewissen Nähe erkennen kann. Und sich vor allem nicht in die Mitte eines globalen Selbstbeweihräucherungsprozesses werfen, nur weil man Angst hat, man könnte sonst Klicks verlieren. Dann könnten Awards auch tatsächlich wieder Sinn machen.


© Titelbild: Nintendo

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Autor/Autorin

Clemens Istel

Schon als Kind hatte Clemens lieber den MegaDrive Controller als das Fläschchen in der Hand. Rund ein Vierteljahrhundert macht er bereits virtuelle Welten unsicher. Ob RPG oder FPS, kaum ein Genre ist vor ihm sicher. Selbst im ESport hat der "Head of Head off" von Screaming Pixel seine Erfahrungen gesammelt. Grundsätzlich gilt für ihn: Je openworlder, desto zock!