Diablo Immortal: Ein Shitstorm unter der Lupe

Die Ankündigung von Diablo Immortal im Rahmen der BlizzCon erregt die Gemüter. Aber der aktuelle Shitstorm ist nur das jüngste Symptom eines viel tiefer liegenden Problems. Von Mike Spörk

Game-Designer Wyatt Cheng steht auf der Bühne der BlizzCon 2018. Sein Oberkörper ist nach vorne gebeugt und er hat beide Hände zur Faust geballt. Seine Präsentation wirkt einstudiert und sein Gesichtsausdruck scheint irgendwie nicht zu Worten und Gestik zu passen, als er uns nachdrücklich erklärt wie EXCITING (!) Mobiltelefone als Spieleplattform sind.

Kurz vorspulen: Blizzard stellt das Mobile-Spiel Diablo Immortal vor und wird auf der eigenen Hausmesse von seinen größten Fans ausgebuht, weil es nicht für den PC kommt. Die schnippische Antwort des Entwicklers „Do you guys not have phones?“ ist auf dem besten Weg zum Meme. Der Diablo Immortal-Trailer hat aktuell 400.000 Dislikes auf YouTube. Wie konnte das so eskalieren?

Gehen wir einen Schritt zurück und betrachten das große Ganze. Denn der Shitstorm um Blizzards mobilen Teufel ist nur ein weiterer Auswuchs einer viel größeren Diskrepanz.

Frage ohne Antwort

Vor ein paar Monaten hab ich eine dieser 30-Tage-Frage-Challenges zum Thema Videospiele zugeschickt bekommen, die hier und da auf Twitter die Runde machen. Ihr wisst schon, sowas wie „Was war dein erstes Videospiel?“ oder „Welches Game hat den besten Soundtrack?“. Darin enthalten war eine Frage, die ich nicht beantworten konnte: „Wer ist dein Lieblingsspieleentwickler?“

Ich war verdutzt. Hätte man mein 15-jähriges Ich gefragt, wären wie aus der Pistole geschossen Namen wie LucasArts, Factor 5 oder eben Blizzard gefallen. Warum fällt es mir heute so schwer diese Frage zu beantworten? Was hat sich geändert? Nun… ich!

Damals bei Muttern

Als Kind sieht man die Welt anders. Die Eltern sind Vorbilder, zu denen wir aufschauen, und gleichzeitig letzte Instanz, wenn wir mal über die Stränge schlagen. Sätze wie „Weil ich es sage!“ oder „Ich zähle jetzt bis drei…“ sind in Stein gemeißeltes Gesetz und ersticken jedes Aufbegehren im Keim. Doch mit dem Erwachsenwerden ändert sich das.


Irgendwann finden wir heraus, dass unsere Eltern nicht unfehlbar sind. Das ist eine tiefgreifende Erkenntnis, denn dadurch beginnen wir, elterliche Aussagen in Frage zu stellen und eine eigene Persönlichkeit zu entwickeln. Am stärksten macht sich das wohl in der Pubertät bemerkbar, in der wir generell alle Aussagen unserer Erziehungsberechtigten ablehnen oder hinterfragen. Genau das passiert gerade in der Videospielbranche.

Wachstumsschmerzen

Während sich die Spieleindustrie von ihren bescheidenen Anfängen zu einem milliardenschweren Entertainment-Giganten entwickelt hat, ist auch die Gaming-Community älter und erwachsener geworden. Durch das Internet sind wir global vernetzt, können uns austauschen und haben innerhalb kürzester Zeit Zugriff auf jegliche Information. Das ermöglicht uns genau das, was auch beim Erwachsenwerden passiert: Wir hinterfragen, wir lehnen Dinge ab und geben unseren Unmut kund… laut!

Wie damals unsere Eltern, konfrontiert uns auch die Spielebranche mit Aussagen, die wir grundlegend ablehnen. 2008 erklärte uns Phil Harrison (Sony), dass Singleplayer-Spiele tot sind. 2013 meinte Don Mattrick (Microsoft), dass eine Always-Online-Konsole die Zukunft ist. 2017 kam von EA, dass sie Spielern mit überzogenem Grind ein Gefühl von Stolz und Errungenschaft geben möchten.

Und 2018 erklärt uns Wyatt Cheng, … dass Mobiltelefone total aufregend sind.

Viele Gamer fühlen sich dadurch missverstanden und manchmal – wie im aktuellen Fall mit Diablo – regelrecht verraten. Gerade, wenn man sich als Fan betrachtet und einzelne Entwickler, Publisher oder Plattformbetreiber zu mehr hochstilisiert, als sie eigentlich sind.

De-Eskalawas?

Das sprichwörtliche Öl im Feuer sind der Trotz und die Überheblichkeit, mit dem Spieleentwickler auf die Ablehnung der Kunden reagieren:

Wer keine permanente Internetverbindung hat, soll halt bei unserer alten Konsole bleiben.

Gamer wissen nicht, was sie wollen.

Gamer sind ungebildet.

Oder im aktuellen Fall:

Habt ihr denn keine Mobiltelefone?

Mit solchen Statements tut man sich keinen großen Gefallen, wenn man gerade im Zentrum der Kritik steht.

Als wäre das noch nicht genug, facht auch die Presse noch kräftig die Flammen an. So werden aktuell Kritiker des neuen Diablo als „respektlose Edgelords“ bezeichnet, die sich „durch ihr Verhalten zum Arsch machen“. Und ja, das sind Zitate… leider. Und dann gibt’s da noch den Einen, für den die Kontroverse auf „toxic masculinity“ zurückzuführen ist, weil Mobile Games ja traditionell ein stark weibliches Publikum haben. Statt die erzürnten Gamer verstummen zu lassen, erzeugt diese Art von Druck vor allem eines: Noch mehr Gegendruck.

Das schwelende Feuer

Es wäre falsch, den jüngsten Diablo-Shitstorm als einzelnes Ereignis zu sehen und sich darüber zu wundern, warum Fans sich so unverhältnismäßig über ein Mobile-Spielchen aufregen. Der Disput zwischen Spieleentwicklern und ihren „Fans“ schaukelt sich schon seit längerer Zeit hoch und hat mittlerweile ein Ausmaß erreicht, bei dem ein Shitstorm den anderen ablöst. Auch wenn der Auslöser für sich allein gesehen einen solchen vielleicht nicht rechtfertigen würde.

Der Grund ist ein hohes Maß an Frustration und Unverständnis, gepaart mit einer kräftigen Portion Trotz und Arroganz auf beiden Seiten. Spieler müssen lernen, dass Spieleentwickler in erster Linie Firmen sind, die Profit erwirtschaften und Gehälter zahlen müssen. Und Spieleentwickler müssen lernen, dass Spieler keine Kinder mehr sind, denen man ein X für ein U vormachen kann.


Titelbild © Activision Blizzard

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Autor/Autorin

Michael Spörk

Mike lehrt den Bildern von Screaming Pixel das Laufen und filmt, schneidet und vertont alles, was nicht bei Drei in der Warp-Röhre verschwunden ist. Als Gaming-Urgestein hat er ein Herz für Retro- und Arcadespiele. Er treibt aber auch auf modernen Konsolen und PCs sein Unwesen - solange er sich nicht in Open-World-Spielen verirrt oder sich mit Mitspielern herumschlagen muss.

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