Ein Streifzug durch den Cyberpunk

Dunkel, rebellisch und stets im Clinch mit den Obrigkeiten. Der Cyberpunk lebt Querdenken und hebt die Underdogs in höchste Höhen. Was ihr sonst noch über das Subgenre der Science Fiction wissen solltet und was das mit dem Witcher Geralt zu tun hat:

Vor nicht ganz einem Monat ging ein Raunen durch die Gaming-Szene. CD Project Red – das polnische Entwicklerstudio hinter The Witcher – hatte sich die Verwendungsrechte an dem Begriff “Cyberpunk” gesichert. Viele witterten eine Monopolisierung des Genres.

Nach ein paar Tagen klärt das Studio die Sache auf – man wolle nicht, dass jemand rund um den Release von Cyberpunk 2077, ein Spiel mit einem ähnlichen Namensmuster herausbringt. Die Panik verflog fürs erste. Aber was genau haben sie sich da jetzt eigentlich gesichert?

Die kurze Antwort schaut so aus: Der Cyberpunk ist ein Subgenre der Science Fiction.

Für die ausführliche Antwort muss man ein wenig ausholen:

Willkommen in den 70ern

Im Gegensatz zu seinem nahen Verwandten, dem Steampunk, ist der Cyberpunk ein relativ junges Genre. Die Wurzeln finden sich in den 70ern und frühen 80ern.

Der früheste Eintrag, über den ich gestolpert bin, ist eine deutsche Miniserie namens Welt am Draht. Andere bekannte Beispiele wären John M. Fords Web of Angels, die Sprawl-Trilogie von William Gibson oder auch The Diamond Age von Neal Stephenson.

Die Deus-Ex-Reihe: Cyberpunk in Reinform © Square Enix

Wer den Cyberpunk lieber in der Form des bewegten Bildes sehen will, greift zu Ghost in the Shell oder Akira. Im westlichen Kulturraum finden sich Blade Runner, RoboCop oder die Matrix Trilogie. Und bei Videospielen? 

Vom ersten Spiel des Genres – Psychic City – geht es bis zu den aktuelleren Vertretern wie der Deus-Ex-Reihe oder den Metal Gear-Spielen. Dazu kommen noch die Megami-Tensei-Titel und Ubisofts Watch Dogs. Und auch der vielgerühmte siebte Teil der Final Fantasy Reihe zählt zum Cyberpunk.

Cyber…

Breiter könnte das Spektrum auf den ersten Blick kaum sein. Aber all diese Beispiele verbinden einige Elemente. Schlüsseln wir den Begriff Cyberpunk dazu am besten auf.

Das Cyber hat – wenig überraschend – einen technologischen Bezug. Es geht um den enormen Fortschritt unserer Welt. Insbesondere um Informationstechnologie mit einem sehr häufigen Bezug auf den Cyberspace. Ein Begriff der übrigens von dem oben erwähnten William Gibson erfunden wurde.

Technik und Ungleichheit. Diese Themen bestimmen Mirror’s Edge © EA

Thema ist also – ganz ähnlich wie bei den Verwandten Steam- und Solarpunk – einer der wichtigsten Bestandteile einer Gesellschaft. Abspaltungen des Cyberpunk finden sich zum Beispiel in Gattaca, wo wir eine Welt betrachten können, die man schon eher als Biopunk bezeichnen könnte.

… und Punk

Das Punk bezieht sich in der Regel auf das Thema der Story. Viele Cyberpunk-Geschichten handeln von einer Art Aufstand gegen das Establishment. Es geht um die Ungleichheit in der Gesellschaft, um Armut und Unterdrückung, um gewaltige Firmen, die alles Leben kontrollieren und um das völlige Ausufern des kapitalistischen Systems.

In all dem stehen die Protagonisten als kleine Rädchen, die sich gegen diese Übermächte stellen. Sie sind Kriminelle, Ausgestoßene, Süchtige. Underdogs aller Art eben, die vom System kollektiv benachteiligt werden und versuchen müssen, gegen die Goliaths ihrer Welt anzukämpfen. Diese Welten sind in der Regel Zukunftsvisionen unserer eigenen. Allerdings sind sie selten sehr weit in der Zukunft angesiedelt.

Final Fantasy VII spielt zwar in einer anderen Welt, den Cyberpunk merkt man ihm aber an @ Square Enix

Daraus ergibt sich eine sehr kurze, aber treffende Definition: “High Tech, Low Life.” Oder, ein wenig ausführlicher, um noch einmal auf William Gibson zu kommen: “The future is already here – it’s just not very evenly distributed.”

The Cyberpunk is today

Eine Beschreibung, die auch für unsere heutige Zeit immer passender wird. Der technologische Fortschritt ist gegenwärtig nicht aufzuhalten. Und während der Nordwesten der Welt alles zu bekommen scheint, geht der Süden verhältnismäßig leer aus. Eine Kluft: zwischen Vernetzten und Unvernetzten.

Kein Wunder also, dass der Cyberpunk zurück auf die großen und kleinen Bildschirme findet. Mit Ghost in the Shell und Blade Runner 2049 sind für 2017 zwei Blockbuster erschienen/angekündigt und auch in die Videospiel-Regale kehrt er zurück.

Cyberpunk in San Francisco © Ubisoft

Mit dem Relaunch von Final Fantasy VII kommt – leider erst 2018 – ein Klassiker des Genres zurück in unsere Wohnzimmer – aufpoliert und glänzend, so wie wir ihn haben wollen. Und hoffentlich dem Original treu. Doch auch kleinere Studios zeigen, dass ihnen das Genre am Herzen liegt.

Cyberpunk in der Zukunft

Mit Ruiner von Reikon Games kommt noch dieses Jahr ein brutaler Top-Down-Shooter auf den Markt, der in der fiktiven Stadt Rengkok spielt. Im Jahre 2091. Schon allein der Trailer zeigt, wie detailreich das Spiel die Optik des Cyberpunk auf den kleinen Bildschirm holt. Das Team, bestehend aus ehemaligen Mitarbeitern von unter anderem CD Project Red und Techland, könnte damit ein Spiel bringen, dass sich vom Rest abzuheben versucht. Es wirkt schnell und blutig, düster und doch grell in den rechten Momenten und über allem kritisch an den Systemen, die uns alle bestimmen.

Und dann ist da natürlich noch CD Project Reds Cyberpunk 2077. Vermutlich der nächste große Coup der Polen. Auch wenn sie sich nicht das Genre als Ganzes gesichert haben, so können wir mit großer Wahrscheinlichkeit davon ausgehen, dass sie es auf lange Sicht prägen werden. Die Welt, die Ciri im dritten Witcher beschreibt, hört sich jedenfalls schon gut an:


Titelbild: © CD Project Red

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Autor/Autorin

Clemens Istel

Schon als Kind hatte Clemens lieber den MegaDrive Controller als das Fläschchen in der Hand. Rund ein Vierteljahrhundert macht er bereits virtuelle Welten unsicher. Ob RPG oder FPS, kaum ein Genre ist vor ihm sicher. Selbst im ESport hat der "Head of Head off" von Screaming Pixel seine Erfahrungen gesammelt. Grundsätzlich gilt für ihn: Je openworlder, desto zock!