Horizon Zero Dawn zeigt, wie Feminismus geht

Ihr glaubt, man könne Roboter-Dinos, Bögen und ein matriarchalisches System nicht zusammen in ein Spiel packen? Horizon Zero Dawn vertritt da eine andere Meinung.

Dass Videospiele nicht nur Baller-Orgien voller halbnackter Frauen für pubertierende Jungs sind, wurde hier ja schon an anderer Stelle erwähnt. Die Industrie hat allerdings immer noch den Beigeschmack einer Männerdomäne. Umso schöner ist es dann, wenn sich einmal zeigt, dass das nicht immer der Fall ist.

Worauf wir hier anspielen, fragt ihr euch? Auf Horizo Zero Dawn. Ihr wisst schon: Das Spiel mit den Roboter-Dinos und dem Hauptcharakter, der aussieht wie Ygritte aus Game of Thrones.

Das hört sich im ersten Moment an wie ein weiterer feuchter Traum des immer noch pubertierenden Michael Bay. Schon in den ersten Spielstunden offenbart es sich aber als eines der emanzipiertesten Spiele, das je seine Runden in meiner Konsole drehen durfte.

Frauen an die Macht

Mitunter liegt das daran, dass Aloy – unsere Protagonistin – eine der badassigsten Frauen ist, die mir je untergekommen ist. Allein schon deshalb, weil sie sich von nichts und niemandem in das reinreden lässt, was sie tut, und natürlich weil sie im Alleingang Roboter-Dinos mit einem Bogen tötet. Der Hauptgrund zeigt sich aber in der gesellschaftlichen Struktur, in der Aloy aufgewachsen ist: einem Matriarchat.

Der Stamm der Nora ist eine Mischung aus indianischen Stämmen Nordamerikas und dem Bild, dass wir uns machen, wenn wir an eine frühe Zivilisation von Menschen in Nordafrika und Europa denken. Bei den Nora stehen aber eben nicht die Männer ganz oben und bestimmen die Geschicke des Stammes, sondern die Frauen.

Der Stamm der Nora ist regiert von Frauen.

Die Matriarchs sind die obersten spirituellen und weltlichen Anführer des Stammes. Auch die Anführerin der Braves, also der Krieger der Nora, ist eine Frau. Die Männer ordnen sich den Matriarchs ganz von allein unter und es gibt ein ansonsten reibungslos wirkendes Zusammenleben der Geschlechter.

Das löst auch nicht alle Probleme

Leider ist aber nicht alles ausgeglichen und wunderbar. Denn die Herrschaft der Frauen – sollte man in diesem Zusammenhang vielleicht von einer Frauschaft schreiben (?) – geht auch mit dunklen Aspekten einher. Kinder wie Aloy, die bei den Nora ohne Mutter aufwachsen, werden gemobbt. Der Wert des Kindes ist damit quasi an die Existenz seiner Mutter gebunden.

Auch haben die Matriarchs eine etwas radikale Lösung dafür gefunden, mit Verbrechern umzugehen. Anstelle sie in ein Gefängnis zu stecken oder sie hinzurichten, werden Übeltäter aus der Gemeinschaft der Nora verbannt. Sie müssen in der Wildnis leben.  Kein Stammesmitglied darf mit ihnen sprechen und umgekehrt.Erst wenn ihre Strafe abgesessen ist, dürfen sie in den Schoß der Mutter zurückkehren.

Alles in allem ist die Gesellschaft der Nora nicht nur trotzdem sondern gerade durch diese finsteren Aspekte eine großartige Darstellung einer von Frauen dominierten Welt. Denn erstens wird es kein einziges Mal vom Spiel kommentiert – zumindest bis dem Zeitpunkt, an dem das Gebiet der Nora zum ersten Mal verlässt. Es ist normal und muss also auch nicht extra hervorgehoben werden.

Und zweitens verliert es sich nicht in der Illusion, dass eine Welt mit Frauen an der Spitze keine Probleme hätte, und wagt es, ihnen auch negative Eigenschaften zuzuschreiben. Ein Schritt, den sich viele Geschichten nicht zu gehen trauen würden, weil Frauen sehr oft das Böse und Schlechte immer noch nicht zugetraut wird. Oder – um zurück zu Pubertierenden und/oder Michael Bay zu kommen – außer Brüsten überhaupt nichts zugetraut wird.


Bebilderung: © Sony Interactive Entertainment

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Autor/Autorin

Clemens Istel

Schon als Kind hatte Clemens lieber den MegaDrive Controller als das Fläschchen in der Hand. Rund ein Vierteljahrhundert macht er bereits virtuelle Welten unsicher. Ob RPG oder FPS, kaum ein Genre ist vor ihm sicher. Selbst im ESport hat der "Head of Head off" von Screaming Pixel seine Erfahrungen gesammelt. Grundsätzlich gilt für ihn: Je openworlder, desto zock!