Gast Kommentar
Nicht nur uns beschäftigen Videospiele und ihre Macher. Auch diverse Gäste bieten spannende Perspektiven auf aktuelle Themen und bekommen auf Screaming Pixel eine Chance, ihre Meinung kundzutun.
Es wird diskutiert:
Abgesehen davon, dass das alles etwas kindisch erscheinen mag, wenn man sich die Fragestellung vor Augen führt, ist die Thematik doch spannend und wird umfassend diskutiert im Spielejournalismus und darüber hinaus. In der Community werden dabei gerne auch alte Klischees bedient. Wie die vermeintliche Tatsache, dass Journalisten oder Journalistinnen, die über Spiele schreiben, einfach nicht gut genug spielen. Deswegen fiele ihr Urteil über die heiß geliebten Titel der Fans eben so aus, könne so aber nicht ernst genommen werden.
Jüngst ist die Debatte wieder entbrannt. Diesmal rund um den neuesten Hit von From Software mit dem martialischen Namen Sekiro – Shadows Die Twice. From Software sind bekannt und beliebt dafür, dass ihre Spiele besonders schwierig sind und dass der echte Fan eine gewisse Leidensfähigkeit mitbringen muss, um diese Spiele zu bezwingen.
Sei es nun Bloodborne oder die Souls-Reihe oder eben das neue Sekiro, ein Spiel von From Software ist nun einmal von besonderer Härte. Dementsprechend wird mit jedem Release des Studios von Neuem dieselbe Leier gespielt: Bist du stark und leidensfähig genug oder zu schwach für den Ruf eines echten Hardcore-Gamers?
Andere Spiele ahmen dieses Spielgefühl inzwischen, nach dem großen Erfolg der Souls-Spiele, fleißig nach. Auch in anderen Genres. Der Begriff Souls-like steht dementsprechend für eine besondere Qual-ität solcher Titel. Sei es nun Hollow Knight, Cuphead oder das viel ältere Super Meat Boy, diese Titel sind irgendwie Souls-Like. Das heißt, man stirbt oft und viel und Fehler werden gnadenlos bestraft. Ob dies nun reicht, um ein neues Genre zu definieren, ist ein anderes Thema und soll hier nicht diskutiert werden.
Woher kommt also die Aufregung rund um die Frage, ob Souls-likes einen Easy Mode oder sogar vielleicht nur einen speziellen Story Mode haben sollen, wie es in anderen Spielen teilweise schon angeboten wird?
Dass ein laute Minderheit der vermeintlichen Core-Gamerschaft gerne und leichtfertig aggressiv auf solche Fragen reagiert, mag zwar stimmen, aber es kann ja nicht immer nur darum gehen. Es gibt auch weitaus unaufgeregtere Stimmen, die ein Für und Wider diskutieren.
Eigentlich werden in der Diskussion mehrere Aspekte miteinander verwoben, die alle relevant und wichtig sind. Ein wichtiger Punkt ist die Intention der KünstlerInnen hinter dem Werk, die durchaus ernst zu nehmen ist, auch wenn sie hier sehr leichtfertig von vermeintlich Berufenen in den Ring geworfen wird.
Zudem geht es aber auch um die Frage, ob Spiele und Entwickler dafür sorgen sollten, dass alle diese besonderen Titel spielen können, einerseits unabhängig von ihren Fähigkeiten oder andererseits aufgrund ihrer persönlichen oder körperlichen Voraussetzungen.
Dies sind zwei verschiedene Aspekte, die es zu trennen gilt. Auf der einen Seite wünschen sich SpielerInnen einen leichteren Zugang zu Spielen, um ihre Atmosphäre und Story genießen zu können, ohne stundenlang dafür trainieren zu müssen. Andererseits geht es um Barrierefreiheit, die dafür sorgt, dass jede und jeder, egal mit welchen körperlichen Voraussetzungen oder Limitierungen, die entsprechenden Einstellungen findet, um das Spielerlebnis an die eigenen Gegebenheiten anzupassen.
In den vergangenen Tagen ist viel darüber geschrieben worden und in dieser Diskussion um Sekiro ist ein angemessen differenziertes Bild entstanden. Ohne Anspruch auf Vollständigkeit erscheinen mir folgende Stimmen als besonders erwähnenswert:
Angestoßen wurde die Debatte durch einen Artikel von Dave Thier im Forbes Magazin. Der fordert explizit einen Easy Mode für alle, die ein Spiel wie Sekiro überfordert und sie somit aus der Spielerfahrung ausschließt. Er inkludiert dabei bewusst GamerInnen, die aufgrund körperlicher Defizite nicht in der Lage sind, Sekiro zu absolvieren. Auch wenn seine Anmerkungen relevant sein mögen, erschien die Vermischung dieser Aspekte eher hinderlich als hilfreich. Die Reaktionen darauf aus der Gamerschaft waren dann auch oft die oben genannten, unsachlich, undifferenziert und klischeebeladen.
Im Anschluss haben sich viele um Differenzierung bemüht und die einzelnen Themen entsprechend beleuchtet. Einige davon sind ausgesprochene Fans der From-Spiele, wie A. Garlow, die sich in einer ausführlichen Replik mit Thiers Text auseinandersetzt. Einerseits betont sie, dass Spiele – auch From Software-Titel – sowohl Barrierefreiheit bieten, als auch zur gleichen Zeit herausfordernd sein können. Sie zitiert ebenso wie Thier den Spezialisten für Barrierefreiheit in Spielen Ian Hamilton, der eine klare Trennlinie zwischen Schwierigkeitsgrad und Barrierefreiheit zieht.
Der Grund für Thiers Frustration seien nicht die hohen Anforderungen des Spiels, meint Garlow, sondern eher die Ungeduld seitens des Spielers, der zu wenig Zeit und Geduld hat. Und die Forderung nach einem Easy Mode sei ignorant und helfe nicht dabei, Spiele in ihrer ursprünglichen Intention möglichst vielen SpielerInnen zugänglich zu machen.
Cherry Thompson argumentiert auf derselben Linie in ihrem IGN-Artikel, da From Software sich dieser Diskussion immer wieder ausgesetzt sehe und schon einiges geleistet habe bezüglich Zugänglichkeit und Barrierefreiheit. Thompson beschreibt ihre eigenen Defizite und die Auswirkungen auf ihre Spielerfahrungen und zeigt auf, was From Software zum Thema Barrierefreiheit bereits geleistet hat. Von Reglern der Lautstärke einzelner Soundelemente über individuell belegbare Controller-Layouts bis zu neu gestalteten und überarbeiteten User Interfaces. From Software nimmt die Fragen rund um die Zugänglichkeit ihrer Spiele für alle GamerInnen durchaus ernst. Alles andere wäre auch fragwürdig und sicher nicht verkaufsfördernd.
Überhaupt hat die Diskussion vor allem dazu geführt, dass das Thema Barrierefreiheit immer mehr ins Bewusstsein der Studios und der GamerInnen gerückt wird. So lässt zum Beispiel auch Patrick Shanley in einem Artikel auf hollywoodreporter.com Fachleute zum Thema Inklusion in Games zu Wort kommen. Diese betonen, dass auch GamerInnen mit Handicaps die Herausforderung lieben und die Intention der Entwickler nicht mit Barrierefreiheit im Konflikt steht, sondern beide oft miteinander verbunden werden können. Dies gilt allerdings nicht grundsätzlich, denn die Vision der Macher stehe berechtigterweise im Vordergrund und Überlegungen zur Zugänglichkeit von Spielen seien manchmal nachrangig.
Im deutschsprachigen Journalismus ist die Haltung zur Thematik ganz ähnlich gelagert. Hier werden allerdings noch die Frage nach der Bedeutung von Schwierigkeitsgraden gestellt und ein Punkt betont, der mir auch als wesentlich erscheint: Barrierefreiheit oder leichte Modi, wie ein Assist Mode in Celeste oder viele Optionen zur Veränderung von Interfaces und User Experience sind keine Pflicht. Aber die Auseinandersetzung damit bietet große Chancen, dass SpielerInnen und EntwicklerInnen gemeinsam dazu beitragen, die Spielerfahrung noch weiter zu entwickeln und zu optimieren. Denn dann profitieren alle davon, egal ob Hardcore-GamerIn, SpielejournalistIn oder SpielerIn mit Defiziten welcher Art auch immer.
Das Thema der Barrierefreiheit ist faszinierend und verbreitet sich im Diskurs rund um Experience Design und Interfaces immer weiter. Darum möchte ich in kommenden Texten einen weiteren Blick darauf werfen, was es bedeutet, Spiele tatsächlich inklusiv zu denken und wie sich Spieledesign dabei weiterentwickeln kann – für SpielerInnen und EntwicklerIinnen. Es wurde hier schon gute Arbeit geleistet und die Spielekultur wird durch die Auseinandersetzung damit und die Entwicklung neuer Tools und Interfaces bereichert.
Bildmaterial © Activision
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