Gast Kommentar
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Der Esports treibt schon eigenartige Blüten. Was hier erfolgreich ist, ist für Unternehmen nur schwerlich vorhersehbar. Wer hätte schon in folgende Idee investiert? Eine Handvoll Autos, unzerstörbar und in der Lage durch die Luft zu fliegen, fährt in einem Käfig im Kreis, um einen übergroßen Ball in einem der beiden Tore zu versenken.
Ihr kennt das Spiel Rocket League wahrscheinlich und wisst, dass es sich zu einem der erfolgreichsten Esports-Titel entwickelt hat. Und irgendwie denkt ihr vielleicht: “Naja, Autos mit Raketenantrieb gehen immer und Fußball sowieso.” Mag sein.
Aber hättet ihr gedacht, dass sich eine Traktorensimulation zu einem Esports-Titel mausert? Die sogar namhafte Sponsoren anzieht und in einer Esports-Turnierserie inzwischen umfangreiche Preisgelder bietet? Natürlich, beim Landwirtschaftssimulator geht es um mehr als nur Traktor fahren und das Spiel ist seit Jahren einer der meistverkauften Titel deutschsprachiger Studios. Aber dennoch sind das kaum die Erfolgsgeschichten, mit denen hätte gerechnet werden können.
Eine weitere wichtige Geschichte im Bereich des Esports spielt in Wien. Hier findet einmal jährlich die Viennality statt, ein Fighting Games Turnier. Fighting Games kennt ihr? Ältere Gamer sind zu Zeiten der früheren Konsolen bestimmt einmal über Street Fighter, Tekken oder Soul Calibur gestolpert. Das sind Fighting Games, seit einer Weile schon ein ernstzunehmendes Esports-Genre.
Nicht so bekannt und gut dotiert wie ein Rocket League, aber dafür gerade auch beim Zuschauen leicht und instinktiv zu verstehen. Denn den Kampf eins gegen eins, mit einem Lebensbalken am oberen Ende des Bildschirms für beide Kämpfer, versteht man auf nur einen Blick und die Dramatik der Auseinandersetzung ist so jederzeit offensichtlich.
Viennality ist eines der größten Turniere seiner Art in Europa und eines von sieben Masterturnieren weltweit für Mortal Kombat. Dementsprechend ist auch das Aufgebot der Spieler. Hier trifft sich, was in der MK-Szene Rang und Namen hat – Spieler, Caster und Streamer.
Für Fans ein Muss und obwohl nicht so gut besucht wie andere Esports Events in Österreich, punktet die Viennality doch mit Teilnehmern aus 30 Nationen und Fans aus ganz Europa. Zumal neben Mortal Kombat Turniere in elf weiteren Fighting Games ausgetragen wurden, zum Beispiel Super Smash Brothers, Tekken oder Dragonball Fighterz. Und auch da tummelten sich international bekannte Namen.
Für Esports-Investoren hierzulande bleibt dieses Juwel bisher dennoch uninteressant oder unerkannt, denn Mortal Kombat zeigt die Kämpfe auf besonders blutige Art und Weise und das Spiel wird von der USK ab 18 Jahren freigegeben.
Und dann sind Fighting Games in der Wahrnehmung des Esports Hype Trains, der durch die Szene rast und zu unglaublichen Koalitionen und Investitionen führt, noch nicht angekommen. So fehlen dann auch die Namen der bekannten nationalen Esports-Sponsoren auf den Bannern der Viennality.
Meines Erachtens eine Fehleinschätzung seitens der Unternehmen. Denn die Viennality bringt vieles mit, was sie zum wichtigsten Esports-Event des Landes macht. Neben den genannten Aspekten, einziges Masterturnier einer Esports-Turnierserie in Österreich zu sein und Teilnehmer aus 30 Ländern zusammen zu bringen, kann die Viennality noch mehr bieten.
Drei große Streamingkanäle haben gleichzeitig vom Event live übertragen und am Samstag wurden mehr als 20.000 Zuschauer zur selben Zeit über Twitch live erreicht. Welches Esports-Event in Österreich erreicht sonst global eine solche Aufmerksamkeit?
Und schließlich ist die Community in dieser Szene wirklich bemerkenswert. Nicht nur dass eine unglaubliche Begeisterung unter Spielern, Castern und Fans herrscht, man geht auch sehr respektvoll miteinander um und jeder ist willkommen. Die Community ist ähnlich bunt und inklusiv wie im Speedrunning.
Hier darf jeder dazu gehören und Alter, Herkunft, Handicaps oder sonstige Aspekte, die gern Anlass zur Diskriminierung werden können, spielen keine Rolle. Hier spielen Väter mit Söhnen, Frauen und Männer, alle Hautfarben und Persönlichkeiten sitzen gleichberechtigt nebeneinander. Die Viennality ist ein Fest, auf das man sich das ganze Jahr freut und zu dem jeder eingeladen ist.
Aber Esports-Österreich ist bisher nicht so richtig auf die Viennality aufmerksam geworden. Hierzulande hadert man stattdessen gerne mit der eigenen Bedeutungslosigkeit auf der internationalen Landkarte, veranstaltet Events mit fragwürdiger Organisation und zersplittert sich in viele kleine Fürstentümer, die alle den nächsten Esports-König hervorbringen wollen. Österreich ist eben speziell, gerade auch wenn es um Esports geht.
Aber viele sind auf der Suche nach Wegen aus dieser vermeintlichen Bedeutungslosigkeit. Und die Investoren sind an guten Konzepten interessiert und dann auch bereit, zu investieren. Ob sie den Mut haben, die ausgetretenen Pfade zu verlassen und in Ideen zu investieren, die gut funktionieren, auch wenn es sich nicht um das nächste Fortnite handelt, bleibt abzuwarten.
Auf der Suche nach weiteren ernsthaften Esports-Spielen, die medial gut funktionieren und internationales Potenzial als Marketinginstrument haben, sollte man vielleicht einmal einen genaueren Blick hierhin werfen, auf die Viennality, das wichtigste Esports-Event Österreichs.
Titelbild © Viennality
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