Metro Exodus – Artjom ergründet neue Wege

Metro Exodus behält trotz Semi-Open World den gruseligen Charme der Vorgänger. So spielen düstere Tunnel und gefährliches Wasteland ideal zusammen. Von Clemens Istel.

“Es geht nicht, Artjom.” – “Mach auf! Mach auf, sag ich.” Mit diesen Worten beginnt Metro 2035, die Romanvorlage für Metro Exodus und der dritte Hauptteil der Metro-Saga des russischen Autors Dmitry Glukhovsky. Artjom, die Hauptperson, zieht es an die Oberfläche. Er vermutet dort etwas, sucht nach Jahren im Dunkel der U-Bahn nach einem Leben außerhalb. Aber kann ein Open World-Shooter noch “Metro” heißen?

Wir zünden unser Feuerzeug an und brennen ein paar Spinnweben beiseite, die treue Kalashnikov stets in der anderen Hand. Metro Exodus beginnt exakt in der furchteinflößenden und gleichzeitig angenehm vertrauten Szenerie des ersten Teils der Serie, Metro 2033: Verstrahlte Tunnel, mutierte Riesenratten und rostige Türen. Von Beginn an zeigt Metro Exodus, dass es seine Wurzeln nicht vergessen hat.

Russisches Wasteland

Wir fühlen uns sofort wohl. Nun, so sehr das in einem Endzeitszenario voller Mutanten und Radioaktivität eben möglich ist. Nachdem uns Metro Exodus auf altbekannte Weise willkommen geheißen hat, führt uns die Erzählung schließlich an die Oberfläche. Der Shooter aus dem Hause 4A Games spielt die Semi-Open World-Karten dabei großzügig aus und muss keine Vergleiche scheuen.

Da wäre zunächst die düstere, frei begehbare Welt. Zwar steht uns nicht ganz Russland als Spielplatz zur Verfügung, die weiten Levelabschnitte bieten aber genug Platz zum Erkunden. An jeder Ecke warten Banditen, Mutanten oder Strahlungsanomalien. Unweigerlich ziehen wir die ersten Vergleiche zur S.T.A.L.K.E.R.-Serie.

Atmosphärisch ist Metro Exodus beeindruckend

Atmosphärisch ist Metro Exodus beeindruckend

Metro Exodus punktet mit der gleichen Stimmung, treibt das beklemmende Gefühl aber auch unter freiem Himmel gekonnt in die Höhe. Dafür sorgen zum einen fliegende Dämonen, die das Bedrohungsszenario im Vergleich zum Tschernobyl-Abenteuer noch dreidimensionaler machen. Zum anderen wechseln sich offene Welt und Klaustrophobie-erzeugende Innenlevels immer wieder ab.

Außerdem bietet 4As Spiel eine gekonnt ausbalancierte Palette an „Convenience Features“. Schon durch die vielen verschiedenen Schwierigkeitsgrade passen wir das Spielerlebnis perfekt an unsere Bedürfnisse an. Mit “Reader” konzentrieren wir uns voll und ganz auf die Story. Gegner fordern kaum und Ressourcen gibt es reichlich.

Am anderen Ende des Spektrums wartet erneut der beinharte “Ranger Hardcore”-Modus: Minimales HUD, kaum Munition. Während wir auf “Easy” noch tendenziell keinem Feuergefecht aus dem Weg gehen, gilt es auf der höchsten Schwierigkeit, seinen Weg ganz präzise um alle Gefahren herum zu planen. Der kleinste Fehler ist tödlich.

Upgrades für Ausrüstung und Waffen sind in Metro Exodus Pflicht

Upgrades für Ausrüstung und Waffen sind in Metro Exodus Pflicht

Erzähl mir die Welt

Außerdem navigieren wir mit verschiedensten Mitteln zu unseren Missionszielen. Ein Kompass auf unserer Armschiene zeigt die grobe Himmelsrichtung an. Dazu werfen wir regelmäßig einen Blick auf die Karte, die wir auf einem Klemmbrett mit uns tragen. Dort sind wichtige Punkte markiert, sobald wir von ihnen erfahren haben. Minimap gibt es keine. Questmarker oder Icons über NPCs und Orten ebenfalls nicht. Das steigert effektiv die Immersion.

Gelegentlich verlaufen wir uns erst, bevor wir auf der Karte einen anderen Weg an unser Ziel finden. Mal stoppt ein Gebiet mit starker Strahlung unsere Erkundungstour, mal geht es am Ufer eines Flusses nicht weiter. Umso wichtiger, dass wir aufmerksam den Erzählungen der vielen NPCs lauschen. Sie sind die heimlichen Stars in Metro Exodus.

An der Oberfläche leben Menschen nach unterschiedlichsten Philosophien

An der Oberfläche leben Menschen nach unterschiedlichsten Philosophien

Ein paar Zivilisten warnen uns vor Banditen, Mitglieder unserer Truppe empfehlen uns ein Ruderboot als Fortbewegungsmittel. Für den beeindruckendsten Moment sorgt jedoch ein Techniker, den wir im Rahmen einer frühen Mission befreien sollen. Wo andere Spiele uns plump auf Türme klettern lassen, damit auf der Weltkarte einige lieblose Icons auftauchen, beschreibt er uns das Gebiet.

In brillanter Art verschmelzen hier Worldbuilding und Storytelling. Als wir durch das verdreckte Fernglas blicken, erklärt unser neuer Gefährte die wichtigsten Orte eindringlich. Die Lagerfeuer zwischen den Waggons nicht weit von unserem Ausguck, die große Halle etwas weiter hinten und die große Brücke am Horizont. Wie einst Mufasa und Simba in Der König der Löwen. So simpel, dass es verwundert, warum nicht mehr moderne Open World-Games ihre Checklisten durch solche Momente ersetzen.

In Metro Exodus überleben

Sobald wir wissen, wo es lang geht, beginnt auch schon die Planung. Run & Gun funktioniert selbst auf niedrigen Schwierigkeitsstufen nur bedingt. Ressourcen für Munition, Reparaturen und Upgrades unserer Ausrüstung liegen zwar reichlich in der Welt verstreut. Allerdings sind wir die blitzschnell wieder los, wenn wir jedes Mutantenrudel wie der Elefant im Porzellanladen aufschrecken.

Menschliche Gegner lassen sich manchmal zur Aufgabe zwingen, wenn wir ausreichend Feuerkraft demonstriert haben. Aber Riesenratten und Ghule sind von doppelläufigen Schrotflinten erst nach ihrem Ableben beeindruckt. Folglich hilft auch jeder akustische Hinweis, um unser virtuelles Leben nicht zu verkürzen.

Ein Nachtsichtgerät kommt in der düsteren Welt von Metro Exodus gerade recht

Ein Nachtsichtgerät kommt in der düsteren Welt von Metro Exodus gerade recht

Überhaupt ist das Sounddesign von Metro Exodus ausgezeichnet gelungen. Musik und Soundeffekte untermalen Action und Stimmung wunderbar. Es liegt an uns, die vielen Geräusche in Russlands verstrahlter Wildnis richtig zu deuten. Ein durchdringendes Grollen kann ein weit entfernter Mutant sein, der einsam durch einen Fluss schwimmt. Oder ist das vielmehr ein Knurren von einer mutierten Riesenratte, die wir hinter dem rostigen Autowrack gleich links von uns übersehen haben … UND DIE GERADE ZUM SPRUNG ANSETZT!

Außerdem sind das Rudeltiere. Verdammt! Da kommt die ganze Bande. Glücklicherweise haben wir in einem der Verstecke unsere Flinte gereinigt und ihr ein größeres Magazin verpasst. Waffenupgrades und -wartung sind eure besten Freunde.

Fazit

Metro Exodus spielt gekonnt die Stärken der Serie aus und nimmt mit Bravour den nächsten Schritt in der Evolution. Offene Passagen und beengende Tunnel wechseln sich perfekt ab. Dank umfassender Settings lässt sich das Survival-Abenteuer ideal an die individuellen Ansprüche anpassen. Und auch wenn das diverse “Git Gud!”-Kommentare provozieren könnte, ich mochte den leichten Aim-Assistenten in der Konsolenfassung ganz besonders.

In einer Zeit, in der wir mit apokalyptischen Shootern nur mäßig gesegnet sind, kommt Metro Exodus genau richtig. Kleinere technische Macken verzeihen wir deshalb fürs Erste. Manchmal hat beispielsweise die Physik-Engine Schluckauf und lässt Leichen unkontrolliert zucken. An anderer Stelle schwebt ein Gegner ein paar Meter neben seiner Sandsackbarriere in der Luft.

Das reißt kurzzeitig aus der Immersion und sorgt für einen Lacher und kurzes Stirnrunzeln. Wir hoffen auf Patches. Alles in allem ist Metro Exodus damit zwar nicht perfekt, aber ein starker Singleplayer-Shooter, von denen es ganz grundsätzlich nie genug geben kann.

[Anm.: Screaming Pixel hat die PS4-Kopie des Spiels von Deep Silver zur Verfügung gestellt bekommen. Dies hat sich in keiner Weise auf unsere Berichterstattung ausgewirkt. Wir sagen es euch trotzdem.]


Bildmaterial © Deep Silver

[amazon_link asins=’B079BF4GMX,3453319028,B00KIKP8QS‘ template=’ProductGrid‘ store=’screamingpixe-21′ marketplace=’DE‘ link_id=’6e082b5c-e0a7-4731-b3e6-284d9ae29cd2′]

Autor/Autorin

Clemens Istel

Schon als Kind hatte Clemens lieber den MegaDrive Controller als das Fläschchen in der Hand. Rund ein Vierteljahrhundert macht er bereits virtuelle Welten unsicher. Ob RPG oder FPS, kaum ein Genre ist vor ihm sicher. Selbst im ESport hat der "Head of Head off" von Screaming Pixel seine Erfahrungen gesammelt. Grundsätzlich gilt für ihn: Je openworlder, desto zock!

Deine Mail-Adresse wird nicht gepostet. Die benötigten Felder sind markiert*