Recycling lernen mit Ubisoft

Der Publisher hinter Assassin’s Creed und Far Cry hat eine Expertise darin entwickelt alte Konzepte wiederzuverwerten. Das bietet viele Nachteile aber auch Potential.

Man mag es nicht glauben – vor allem weil Statistiken in dieser Hinsicht etwas völlig anderes sagen –, aber von den Franzosen kann man Recycling lernen. Beziehungsweise kann man es sich von einem gewissen französischen Publisher abschauen.

Ubisoft beweist immer wieder, dass sie es verstanden haben, wie man Inhalte relativ geschickt von einem Spiel zum anderen weiterzieht. Auf der eben zu Ende gegangenen E3 legten sie in dieser Hinsicht aber sogar noch ein Schippe drauf.

Presenting: Skull & Bones

Neben Zugpferden wie Far Cry und Assassin’s Creed – zu diesen später mehr – präsentierte Ubisoft auf der E3 ein Spiel, das zuvor nicht wirklich am Radar der Gamingwelt war. Skull & Bones soll der neue Titel heißen und ein Multiplayer-Piraten-Spiel sein. Dass Freibeuter die neuen Zombies sind, mag man dabei mal so stehen lassen. Viel interessanter wird die Sache, wenn man sich das gezeigte Gameplay von Skull & Bones ansieht.

Das erinnert sehr stark an einen anderen Titel aus dem Hause Ubisoft: Assassin’s Creed IV: Black Flag war nicht nur ebenfalls ein Piratenspiel, sondern verwendete ein Naval-Combat-System, dass dem des kommenden Multiplayer-Titels nicht nur sehr ähnlich war, sondern ident.

Assassin’s Creed: Skull & Bones?

Wie bei Black Flag steuert man bei Skull & Bones das Schiff aus der Sicht von Steuermann oder -frau. Dabei schaut man über dessen/deren Schultern über das Schiff hinweg und kann die Kamera rundherum schwenken lassen. Je schneller das Schiff ist, desto weiter fährt die Kamera von ihm. Bekannt, nicht wahr?

Noch auffälliger wird die Angelegenheit bei der Zielmechanik: Zwei weiße Linien auf den Wellen zeigen den Bereich, in dem unsere Kanonenschüsse einschlagen werden. Das Einzige, das allem Anschein nach eingespart wurde, ist der Kampf Mensch vs. Mensch.

Über den Rücken des Charakters zu schauen, ist bekannt.

Wenn man sich auf die Suche nach dem Grund für diese Ähnlichkeiten macht, wird man schnell fündig. Insbesondere weil Ubisoft diese auch öffentlich kommuniziert: Das Team, das aktuell an Skull & Bones werkelt, war zu Teilen auch schon bei Assassin’s Creed IV: Black Flag involviert.

Far Creed: Primal Origins

Ein anderes Beispiel für die Wiederverwertung im Hause Ubisoft findet sich beim ebenfalls auf der E3 angekündigten Assassin’s Creed: Origins. Das Spiel im alten Ägypten setzt neben der bekannten großen Welt und einem Kampfsystem, das stark an The Witcher 3 angelehnt scheint, auf ein Element, das uns schon aus Far Cry bekannt ist:

Aus großer Distanz kann man nun die Feinde innerhalb einer Basis markieren. Man sieht sie daraufhin äußerst komfortabel und kann auch ihr Level ausmachen.

Ein Adler-Buddy statt Fernglas.

Anstelle eines Fernglases verwendet man im alten Ägypten natürlich andere Methoden, weshalb der treue Begleiter des Hauptcharakters, ein Adler, herhalten muss. Und auch das klingt bekannt. In Far Cry: Primal war es um der Abwechslung Willen eben eine Eule. [Anm.: Laut einer Präsentation mit Interview von Gamespot auf der E3, war das Team von AC: Origins vor dem Team von Far Cry Primal. Das Team von Primal habe sich die Idee vom Origins-Team abgeschaut.]

Um des lieben Geldes Willen

Aus Ubisofts Sicht der Dinge ist ein solches Verhalten natürlich absolut nachvollziehbar. Die Produktion eines Videospiels ist in den letzten Jahren – gelinde gesagt – sauteuer geworden. Zahlen von 45 Millionen Euro bei Horizon Zero Dawn bis hin zu rund 360 Millionen Dollar im Falle von Destiny liegen an der Tagesordnung. Selbst entwickelte Elemente für verschiedenste Spiele zu “recyceln”, um dadurch Aufwand und Kosten zu sparen, ist aus der Sicht des Publishers völlig verständlich.

Aber auch Spielersicht ist diese Wiederverwertung nicht ausschließlich schlecht. Bekannte Spielmechaniken erleichtern uns den Einstieg in eine Spielwelt enorm und erhöhen den Spielspaß. Es muss nicht verwundern, dass die Tastenbelegung zum Schießen, Springen oder feste Hauen in den meisten Spielen ähnlich bis gleich ist. Selbiges gilt auch für Mechaniken.

Wenn ich schon weiß, wie ein Spielprinzip funktioniert, brauche ich mir keine Gedanken darum machen, es mir nicht erst aneignen, sondern kann gleich loslegen.

Zweischneidig diese Sache ist

Leider hat dieses Schwert zwei Schneiden. Auch wenn manches Recycling für den Spieler praktisch ist, kann es genauso in die Hose gehen. Irgendwann werden die immer gleichen Mechaniken schal, um nicht sogar das Wort billig in den Mund zu nehmen. Es entsteht das Problem, dass es für den Spieler so wirkt, als würden Studios sich nicht mehr darum bemühen, etwas Neues zu machen.

In Extremfällen kann das fatale Folgen für das Image eines Publishers haben. In der Causa Ubisoft zum Beispiel, als Spieler herausfanden, dass Far Cry: Primal die Worldmap von Far Cry 4 quasi recycelt hat. Auch bei den Spielsystemen von Black Flag und Nachfolger Rogue lassen sich – Euphemismus – Parallelen festmachen.

Primal hat die Karte von Far Cry 4 beinahe kopiert.

Hinzu kommt, dass die Innovationskurve bei Ubisoft durch das ständige Wiederverwerten sehr flach wird. Um zum Vergleich auf Bethesda Softworks zu verweisen: Die Kollegen starten bei jedem Fallout- und TES-Titel laut eigenen Angaben vom Punkt Null, um darauf zu achten, was gut in das jeweilige Spiel passt und was nicht.

Was passt, passt

Das ist letztlich auch der Punkt, an dem Ubisoft wieder zeigt, dass ihr Recyceln nicht ausschließlich schlecht ist. Natürlich, die Sache mit den Worldmaps lässt sich so nicht entschuldigen, aber die bekannten Elemente der feindlichen Basen, der zu erkletternden Türme und des Markierens der Feinde gliedern sich passend in die Geschichte des jeweiligen Spiels ein. Es wirkt nie wirklich fehl am Platz – so etwas könnten sich die Entwickler auch nie erlauben.

Und am allerwichtigsten: Die Elemente machen Spaß. Das Einnehmen der feindlichen Basen in Far Cry 4 war in unseren Augen einer der besten Aspekte des Spiels. Und wem macht es keinen Spaß, in Assassin’s Creed: Syndicate die höchsten Punkte Londons zu erklettern und so nach und nach die Karte aufzudecken?

Und auch Far Cry 4 bedient sich an so mancher Stelle.

Bei Spielen wie Skull & Bones, die uns auf der E3 als große Neuigkeit verkauft werden, aber eigentlich nichts Neues machen, kann man sich aber doch fragen, ob man die Franzosen ob ihres smarten Recyclings bewundern soll, oder doch wegen ihrer Dämlichkeit bedauern.

Eines ist klar: An der 39%-igen Recyclingquote in Frankreich ist der Publisher nicht unbeteiligt.


Bebilderung: © Ubisoft

[amazon_link asins=’B072MZ8Z3K‘ template=’ProductAd_richtig‘ store=’screamingpixe-21′ marketplace=’DE‘ link_id=’a4d6ab0b-bb02-11e7-ae20-91bc3a31b328′][amazon_link asins=’B01673J50Y‘ template=’ProductAd_richtig‘ store=’screamingpixe-21′ marketplace=’DE‘ link_id=’ac319a26-bb02-11e7-ba22-dda955af9739′][amazon_link asins=’B00CTJCYI6′ template=’ProductAd_richtig‘ store=’screamingpixe-21′ marketplace=’DE‘ link_id=’bff82a5c-bb02-11e7-87e1-ef677e76072a‘]

Autor/Autorin

Clemens Istel

Schon als Kind hatte Clemens lieber den MegaDrive Controller als das Fläschchen in der Hand. Rund ein Vierteljahrhundert macht er bereits virtuelle Welten unsicher. Ob RPG oder FPS, kaum ein Genre ist vor ihm sicher. Selbst im ESport hat der "Head of Head off" von Screaming Pixel seine Erfahrungen gesammelt. Grundsätzlich gilt für ihn: Je openworlder, desto zock!