So könnte ein RPG ohne Geld funktionieren

Es gibt keine Rollenspiele, die ganz ohne Spielwährung auskommen. Wir wollen das ändern.

Geld regiert die Welt. Traurig, aber wahr. Diese Tatsache spiegelt sich auch in Videospielen wider, ohne dass uns das wirklich auffällt. Auch Games werden von Geld regiert. Dabei sind nicht einmal die stetig steigenden Preise für Titel, quasi nutzlose DLCs und die Perversion namens Pay-2-Win gemeint.

Es geht um die Welten, in denen die Titel spielen. Egal wo man hinschaut: Geld ist doch in allen von Bedeutung. Zumindest in denen von Rollenspielen. Um die soll es hier auch in erster Linie gehen. Adventures, Action-Adventures und episodenhaft erzählte Shooter á la Call of Duty sind davon weitestgehend ausgenommen.

Diablo ohne Geld? Meh… © Blizzard

RPGs kommen nicht ohne Geld aus. Verständlich, könnte man da meinen, schließlich braucht man in solchen Spielen ja auch Ausrüstung, Tränke und den ein oder anderen Zauber auf Pergament. Und ein Reittier wäre ja auch nicht schlecht. Wie – wenn nicht durch Geld – soll man denn bitte zu solch teurem Schnickschnack kommen wie dem “Breitschwert der unendlichen Flammen mit rubinbesetztem Griff”? Sowas wächst ja auch nicht auf Bäumen!

Weg mit dem Geld

Aber vielleicht mögen wir ja kein Geld. Vielleicht ist es uns zu umständlich und propagiert uns das kapitalistische System zu sehr. Was ist dann? Sollen wir einfach weiter diese bösen, bösen Videospiele mit ihrem bösen, bösen Geld spielen? Oder gibt es vielleicht eine Alternative?

Wer sich auf die Suche nach RPGs macht , die ohne ein Währungssystem auszukommen versuchen, hat keine leichte Zeit. Ganz ohne Euphemismen: Er wird scheitern. Rollenspiele kommen nicht ohne Geld aus. Auch wenn es sehr wohl Ansätze gibt.

Gibt’s sowas nicht schon?

Ein aktuelles Beispiel findet sich in Horizon Zero Dawn. Das Action-RPG von Guerilla Games verwendet statt klassischem Geld “Shards”, also die abgeschlagen Metall-Teile von Roboter-Tieren. Zusätzlich muss der Spieler für bestimmte Produkte bei Händlern noch bestimmte Rohstoffe sammeln. Wir haben also eine Mischung aus Tauschhandel und Geldhandel.

So ein neuer Bogen kostet eben auch © Sony

Ein anderes Beispiel ist das MMORPG Path of Exile: Hier gibt es gar keine herkömmliche Währung. Stattdessen fungieren verschiedene Rohstoffe als Geldersatz. Ein weiteres findet sich in den Metro-Spielen. Hier sind Munition und Geld eins. Ergo: Wer viel schießt, kann sich keine neue Knarre leisten und umgekehrt. “Geld verpulvern” bekommt da eine ganz neue Bedeutung.

All diese Spiele zeigen schon Ansätze, bedienen sich aber weiterhin eines montären Systems. Sie verwenden eben “Geld und noch was” oder verschiedene Währungen oder eine Währung mit einem zusätzlichen Nutzen. Bisher konnten wir Geld in Rollenspielen noch nie wirklich ablegen. Aber könnte man das ändern? Gäbe es eine Möglichkeit, ein Rollenspiel ohne Geld zu erschaffen?

Lasst es uns versuchen.

Basteln wir ein Rollenspiel

Die große Frage, der wir uns stellen müssen, wenn wir uns ein RPG ohne Geld vorstellen, ist: “Wie kommt man zu neuer Ausrüstung?” Zuerst müssen wir uns dafür überlegen, wie gehandelt wird, wenn es kein Geld gibt.

Der einfachste Weg wäre eine Rückkehr zum guten alten Tauschhandel. Gleichzeitig könnte man sich vorstellen, dass es einen Zusammenhalt aller NPCs gibt, die einander Geschenke machen.

Zusätzlich dazu kann man natürlich noch an Gegenstände gelangen, ohne mit Leuten zu handeln. Entweder indem man sie irgendwo in der Welt findet oder indem man sie selbst erschafft.

Das ergibt für unser Spiel vier Methoden, an neue Gegenstände zu gelangen:

1. Tauschhandel
2. Geschenke
3. Crafting
4. Loot

Schauen wir uns eine nach der anderen an und betrachten wir, was wir brauchen, damit man sie wirklich umsetzen könnte.

Tauschhandel

Die Sache mit dem Tauschhandel könnte recht simpel gelöst werden. Man könnte hier jedem Gegenstand einen fiktiven Wert geben, der im Hintergrund läuft, verborgen vor dem Spieler. Wenn zwei Gegenstände (oder auch mehr) einander in ihrem Wert entsprechen, würde der Händler sagen: “Klar. Machen wir.”

Aber de facto hätten wir hier immer noch ein Geldsystem – auch wenn der Spieler es nicht mitbekäme. Außerdem müsste man an dieser Stelle auch eine andere Frage stellen: Wie glaubwürdig ist so ein System? Bei Tauschhandel geht es ja darum, dass man etwas hergibt, dass man nicht braucht, und dafür etwas bekommt, das man braucht.

Wollen wir realistischen Tauschhandel simulieren, müssen wir uns also überlegen, was die NPCs in unserer Welt brauchen können und was sie anbieten können. Jeder Charakter, dem wir in dem Spiel begegnen, bräuchte also ein Set aus Bedürfnissen und aus Dingen, die er dafür bieten kann. Nehmen wir dafür ein konkretes Beispiel an:

Unser Held, nennen wir ihn Rüdiger, ist auf der Suche nach neuer Ausrüstung.

Gestatten: Rüdiger.

Er hat ein paar alte Stücke zu bieten, für die er ein neues Schwert eintauschen möchte. Aber das Schwert, dass er haben will, ist natürlich viel besser als das alte, das er zu bieten hat. Der Handel kann also nichts werden.

Im Gegensatz zu den meisten Spielen kaufen einem die NPCs nicht jeden Mist für ein paar wenige Münzen ab. Sie müssen diese Gegenstände auch gebrauchen können. Er muss ihrem Set an Bedürfnissen entsprechen.

Aber was wäre mit Händlern? Es muss ja schließlich NPCs geben, die in unserem Spiel mehr anzubieten haben, als nur ihre eigenen Schwerter, Pferde oder ein Stück Rüstung.

Diese NPCs hätten tatsächlich viele unterschiedliche Gegenstände und würden auch unterschiedliche Gegenstände ertauschen. Doch wozu? Weil sie über die Sets an Bedürfnissen und Angeboten anderer NPCs Bescheid wüssten. Sie wüssten, was andere haben und was sie wollen. Quasi Ramschhändler mit besseren Beziehungen.

Zu unserem System an Bedürfnissen müsste ein Set an Beziehungen dazu kommen. NPCs kennen einander, wissen Dinge übereinander – je nachdem, wie intensiv ihre Beziehung zueinander ist – und mögen einander, oder eben nicht.

Gehen wir zurück zu unserem Beispiel. Rüdiger möchte ein neues Schwert. Er findet bei einem Händler eines, das ihm zusagt. Er bietet dem Händler nach und nach Gegenstände an, die er gewillt ist, dafür zu tauschen. Anhand eines fiktiven Wertes, der im Hintergrund läuft, jetzt aber für jeden Charakter subjektiv ist und von seinem Set an Bedürfnissen bestimmt wird, wird der Händler irgendwann sagen, das reicht ihm. Bumm. Der Tausch geht über die Bühne.

Je nachdem, wie gern der Händler Rüdiger hat, wird er sich natürlich mit weniger oder mehr zufrieden geben.

Allen, die nun meinen, das alles sei an den Haaren herbeigezogen, sei in Erinnerung gerufen, dass es all die Mechanismen, die ich oben beschrieben habe, schon in Spielen gibt. In TES IV: Oblivion und auch in TES V: Skyrim gibt es Sympathie-Werte, die bestimmen, wie sehr jemand deinen Charakter mag. Auch Bedürfnisse laufen hier im Hintergrund. Wer ein wenig von den RPGs wegschaut, findet sogar noch ein besseres Beispiel: Die Sims. Die Sache mit dem Tauschhandel finden wir – wie eingangs erwähnt – in Ansätzen auch schon bei Horizon Zero Dawn.

2. Geschenke

Die Angelegenheit mit den Geschenken ist noch stärker auf Sympathie-Werten aufgehängt als der Tauschhandel. Kurz: Wenn ein Charakter Rüdiger mag, wird er ihm irgendwann einfach ein Geschenk machen. Das können wir noch weiter ausdehnen und ein System integrieren, das wir schon aus Gothic oder Risen kennen.

Nicht nur Charaktere hätten in diesem Fall Sympathie-Werte gegenüber Rüdiger, sondern auch ganze Fraktionen. Rüdiger könnte sich zum Beispiel den Irokesen anschließen und je weiter er im Rang bei ihnen aufsteigt und je mehr sie ihm vertrauen, desto bessere Ausrüstung werden sie ihm einfach so geben.

Gleichzeitig könnte er es sich dabei natürlich auch bei einer anderen Fraktion verscherzen. Alle NPCs dieser Fraktion würden ihn dabei weniger lieb haben und ihm am liebsten einfach den Schädel einhauen.

3. Crafting

Der nächste logische Schritt für ein Spiel ohne Geld ist ein vernünftiger Umgang mit Ressourcen. Die könnte man einerseits zum Tauschhandel verwenden. Ein Schmied würde einem zum Beispiel ein Schwert für einen Haufen Ressourcen geben. Nicht allerdings in klassische-nervtötenden Quests aus der Kategorie “Bring mir 72 Trollzehen”, sondern auf wesentlich organischere Weise, basierend auf den Bedürfnissen des Schmieds. Andererseits könnte man sie gleichzeitig zum klassischen Crafting verwenden.

Beispiele dafür finden sich im dritten Witcher-Teil aber auch in einem Fallout 4 oder quasi jedem anderen Rollenspiel aller Zeiten.

4. Loot

Das muss nicht extra erklärt werden, oder? Es könnte schließlich kein RPG geben, in dem man nicht irgendwo magische Artefakte finden könnte, die besser sind als alles, was man von Händlern erstehen kann. Zusammen mit dem Crafting, den Beziehungen zu den Charakteren und dem Tauschhandel könnten sich daraus aber nochmal ganz neue Dynamiken ergeben.

Stellen wir uns zum Beispiel vor, dass unser Held Rüdiger irgendwo einen magischen Gegenstand findet.

Er kann damit nichts anfangen, aber er ist ein netter Kerl und bringt das Ding zu einem NPC, von dem er weiß, dass er es gebrauchen kann und schenkt es ihm. Die Sympathie-Werte des NPCs für Rüdiger schnellen nach oben und er wird ihn in Zukunft bei Tauschgeschäften besser aussteigen lassen. Vielleicht wird er auch an seiner Seite kämpfen, wenn es sein muss, weil Rüdiger es sich mit irgendeiner Fraktion verscherzt. Oder vielleicht erzählt er Rüdiger auch ein Geheimnis, das ihn zu einem noch besseren Fundstück führt.

Rüdiger könnte den Gegenstand durch unser Crafting-System aber auch einfach verbessern oder zerlegen.

Schwierigkeiten

Während die Aspekte des Craftings, des Lootens und der Sympathie von Fraktionen und Charakteren gegenüber dem Helden noch recht einfach zu bewerkstelligen sind – Beispiele für alle lassen sich wie gesehen recht einfach auftreiben –, stoßen wir auf eine große Komplexität, wenn es um die Beziehungen zwischen den Charakteren geht.

Wenn so ein Spiel funktionieren soll, muss jeder Charakter eine Meinung zu jedem anderen Charakter haben. Sagen wir: -10 bis +10, wobei 0 komplette Indifferenz ist. Und jeder muss ein bestimmtes Set an Wissen zu jedem anderen Charakter haben. Das kann natürlich ebenfalls fehlen, wenn sich Charaktere nicht kennen.

Für ein einzelnes Dorf wäre das noch zu bewerkstelligen. Ein derart komplexes System zu integrieren, bedarf natürlich enormer Arbeit für die Entwickler. Insbesondere für eine ganze Spielwelt. 

Auch diesen Aspekt könnte man aber recht einfach umgehen, indem man bestimmte Charaktersettings erstellt, die sich wiederholen. Man hat also unterschiedliche Werte, die Beziehungen bestimmen. Zum Beispiel könnten wir sagen, dass Elben und Zwerge auf keinem guten Fuß miteinander stehen. Aber die Beziehung zwischen Elben und Orks ist noch schlechter, während Elben und andere Elben in der Regel viel kuscheln.

Gleichzeitig definiert man Durchschnittswerte für Charaktere mit einer möglichen Abweichung. Zum Beispiel: Menschen leben meist in einer Beziehung zwischen Mann und Frau und haben im Schnitt drei Kinder. Sie können aber auch allein leben oder mit jemandem vom anderen Geschlecht. Sie gehen dieser oder jener Tätigkeit nach und haben deshalb diese oder jene Bedürfnisse.

All das klingt kompliziert, im Vergleich zu einem Algorithmus, der Planeten nach bestimmten Regeln aus dem Nichts stampft, sollte das aber kein Problem darstellen. Hello Games darf sich an dieser Stelle ruhig angesprochen fühlen.

Zusammenfassend

Wollen wir ein Rollenspiel umsetzen, das ganz ohne Geld auskommt, brauchen wir vernünftige Alternativen, um an neue Ausrüstung zu gelangen. Die bestehen in unserem Beispiel aus Tauschhandel mit einem Set von Angeboten und Bedürfnissen als Grundlage, Geschenken basierend auf Sympathie von Charakteren und Fraktionen, Crafting mit einem großen Set an Ressourcen und Loot. Hinter all dem stünde ein durch einen Algorithmus erstelltes System aus Beziehungen zwischen NPCs und dem Charakter.

Beispiele für alle genannten Systeme finden sich auf die ein oder andere Weise schon in Videospielen. Man müsste sie also nur noch zusammenführen. Und diese geschaffene Kultur am besten gleich noch für die reale Welt umsetzen. Aber eins nach dem anderen.


[amazon_link asins=’B00BJ3CYVA‘ template=’ProductAd_richtig‘ store=’screamingpixe-21′ marketplace=’DE‘ link_id=’fa71f3b5-bb02-11e7-996b-3d8074d65d05′][amazon_link asins=’B00ZRQTKO4′ template=’ProductAd_richtig‘ store=’screamingpixe-21′ marketplace=’DE‘ link_id=’ffcf3e8e-bb02-11e7-8a9a-39821ce96383′][amazon_link asins=’B00ZRKA7YW‘ template=’ProductAd_richtig‘ store=’screamingpixe-21′ marketplace=’DE‘ link_id=’28b424f0-bb03-11e7-ae01-177ce6215c2b‘]

Autor/Autorin

Clemens Istel

Schon als Kind hatte Clemens lieber den MegaDrive Controller als das Fläschchen in der Hand. Rund ein Vierteljahrhundert macht er bereits virtuelle Welten unsicher. Ob RPG oder FPS, kaum ein Genre ist vor ihm sicher. Selbst im ESport hat der "Head of Head off" von Screaming Pixel seine Erfahrungen gesammelt. Grundsätzlich gilt für ihn: Je openworlder, desto zock!