So regenbogenbunt sind Videospiele

Für viele gelten Videospiele noch immer als schwarz/weiße, sexistische Männerdomäne. Dass das nicht der Wahrheit entspricht, braucht man nicht hervorzuheben. Doch wie gehen Videospiele eigentlich mit Charakteren um, die sich abseits von Hetero und Cisgender aufhalten? Ein Streifzug:

Wer einen Beleg dafür sucht, dass Videospiele nicht besonders gut mit Gender-Rollen umgehen, braucht nicht lange zu suchen. Ihr wisst, worauf ich anspiele:

Die diversen – nennen wir sie mal ganz höflich “Debatten” – um dieses Thema geben einen klaren Blick darauf, wie die vereinte Gamerschaft darauf blickt. Sehr unvereint, wenn man so darüber nachdenkt. Was aber niemand ausblenden darf: Videospiele machen trotz ihrer gelegentlich entkleidenden Tendenz in vielerlei Hinsicht sehr viel richtig, wenn es um die Darstellung von Frauen geht.

Obwohl sexy sind Lara Croft und Bayonetta – und noch einen Haufen anderer, die ich jetzt aber nicht alle aufzählen will – ein Gegenpol zu klassischen Frauenbildern. Sie sind tough, eigenwillig und selbstbewusst. Also eigentlich genau das Gegenteil, was der typische Mann sich so unter seiner Traumfrau vorstellt. Stellt euch einfach mal vor, ihr würdet Lara Croft sagen, sie gehöre in die Küche.

Keine gute Idee © Square Enix

So gesehen haben Videospiele Genderrollen auf eine gewisse Weise schon immer herausgefordert. Wenn man von Gender redet, kann man jedoch nicht nur jene ikonische Frage stellen, die uns seit dem ersten Pokémon-Spiel beschäftigt:

Schon allein deshalb, weil das keine Frage ist, die man auf dem Spektrum von 0 und 1 beantworten kann. Wir wissen schon ein Weile, dass es mehr gibt als heterosexuelle cisgender Personen. Das stellt uns wiederum vor eine ganz andere Frage:

Wie gehen Videospiele eigentlich mit LGBTQ-Themen um?

LGBTQ steht für “Lesbian, Gay, Bisexual, Transgender and Queer” und bezeichnet eben genau jene Gruppe der Bevölkerung, die im Westen der Welt langsam aber sicher endlich so behandelt wird wie ein gleichberechtigter Teil der Gesellschaft. Wer hätte das gedacht? Die sind auch Menschen!

Videospielentwickler haben ihre Existenz erstmals im Jahre 1986 bemerkt. Im Text-Adventure Moonmist kam immerhin eine Hälfte eines lesbischen Pärchens vor. Dann gab es einige kleinere Auftritte und 1996 trat mit dem bisexuellen Curtis Craig aus Phantasmagoria 2 der erste spielbare LGBTQ-Videospiel-Charakter auf den Plan.

Der erste Transgender-Videospielcharakter kam 1988 auf den Plan: Birdo – erster Auftritt in Super Mario Bros. 2 – wollte eigentlich viel lieber Birdetta genannt werden. So behauptet es zumindest das beiliegende Heft. Später hat Nintendo diesen Aspekt allerdings wieder fallen gelassen und das Geschlecht von Birdo einfach ignoriert. Kann jetzt in beide Richtungen gedeutet werden.

LGBTQ heute

Auf der Entwicklerkonferenz DICE im Jahre 2017 – also etwa 30 Jahre später – kam das Thema nun wieder mit neuem Feuer auf. Jeff Kaplan, seines Namens Overwatch Director, hat auf der Konferenz aufgesprochen und den Ansatz des MOBAs zum Thema anklingen lassen:

“What’s weird to us, is that Overwatch started to spark lots of discussions about diversity. It was a very hot topic during the development of Overwatch.

I think it’s really interesting that people think that diversity was the goal of the Overwatch team, when it was not. What we cared about was creating a game, and a game universe, and a world where everyone felt welcome. Really what the goal was, was inclusivity and open mindedness.

We wanted there to be this feeling — and I’ve talked to a lot of people about this and I think they’ve agreed with it – when I say you might be from somewhere that we haven’t represented yet in Overwatch, but you could imagine there being an Overwatch hero or an Overwatch map from your area. And it seems totally plausible, like it seems like at any time I could be represented in the game. I think diversity is a beautiful end result that you get when you embrace inclusivity and open mindedness.”

Um es knapp zusammenzufassen: Die Köpfe hinter Overwatch wollten nicht mit ihren diversen Charakteren aufhorchen lassen, sondern einfach nur ein Spiel schaffen, dass ihre Spielerschaft als ganzes repräsentiert. Deshalb gibt unter anderem eine Mutter, die auch noch Sniper ist, eine flinke Lesbe und – auch wenn noch nicht klar ist, wer das sein soll – einen Transgender-Charakter.

Außerdem ist Tracer auch noch saucool © Blizzard

Die Herren und Damen bei Blizzard sind aber nicht die einzigen, die dieses Thema aufgreifen. Auch bei CD Project Red und Gearbox weiß man, mit LGBTQ-Charakteren umzugehen. Die Ziehtochter des Witchers Geralt von Rivia, Cirilla, ist einem Dialog zu urteilen lesbisch (“I prefer women.”). Selbiges gilt für den spielbaren Charakter Athena aus Borderlands: The PreSequel.

Ciris Sexualität hat keinerlei Auswirkungen auf… irgendwas © CD Project Red

Der Assassine Jacob Frye ist laut Angaben von Ubisoft bisexuell und im dritten Teil der Witcher-Reihe trifft man auf einen crossdressenden Elf. Die Beziehungen mit Nebencharakteren in Biowares Mass Effect und Dragon Age sind ohnehin schon legendär. In Dragon Age: Inquisition trifft man auch auf die ersten dezidiert homosexuellen Charaktere des Studios. Die Elfe Sera ist lesbisch, der Magier Dorian schwul. Logischerweise kann man nur eine Beziehung mit ihnen starten, wenn man das passende Geschlecht dafür hat. Davor waren sehr viele Charaktere des Studios am ehesten noch Bi oder überhaupt “nur” Hetero.

Homosexualität und Infizierte

Eine der besten Darstellungen, weil sie wie die Realität völlig auf nervige Klischees verzichtet, findet sich im preisgekrönten The Last of Us. Wie sich nur über zwei kleine Bemerkungen erkennen lässt, ist Zombietöter, Überlebenskünstler und Dreckskerl Bill schwul. Es ist großartig gemacht, weil es für die Geschichte völlig egal ist. Bills Sexualität spielt keinerlei Bedeutung für seine Persönlichkeit und wird dem Spieler deshalb auch nicht mit Leuchtreklame ins Gesicht geschlagen. Man rufe sich in Erinnerung: Schwule. Sind. Menschen.

Noch so ein Fall von: komplett egal © Naughty Dog

Hinzu kommt, dass The Last of Us auch eines der wenigen Spiele ist, dass einen homosexuellen Charakter spielbar macht. Ellie – die kleine Heldin der Geschichte, die Ellen Page überraschend ähnlich sieht – ist, wie sich in dem Neben-Storyarch des DLCs offenbart, lesbisch. Auch das hat – ganz wie in der Realität – auf ihren Umgang mit den Zombies keinerlei Auswirkungen.

Leider ist aber nicht alles Regenbogen, was glitzert. Als im Dezember letzten Jahres bei Fifa 17 die Funktion eingeführt wurde, Spieler in regenbogenfarbene Trikots zu stecken, hatte Russland – natürlich war es Russland – ein Problem damit. Denn Electronic Arts würde damit ganz offensichtlich gegen die russischen “Gay Propaganda Laws” verstoßen. Das Ganze ging so weit, dass Russland damit drohte, das Spiel innerhalb seiner Grenzen zu verbieten. Aber dass die LGBTQ-Gemeinschaft der Regenbogen verwendet, scheint ja generell vielen bitter aufzustoßen.

Queere Tiere

Als absolutes Positivbeispiel zum Abschluss: Night in the Woods. Der beste Freund des Hauptcharakters ist in einer homosexuellen Beziehung. Das Spiel nimmt diese  – bis auf einige Bemerkungen am Rande – als selbstverständlich hin. Ganz ähnlich wie bei The Last of Us wird auch hier kaum auf die Beziehung hingewiesen.

Bis auf eine kurze Szene, in der Gregg erwähnt, dass es schwer ist, das einzige queere Pärchen in der Stadt zu sein, ist die homosexuelle Beziehung der beiden kein Thema. Und genau so soll es auch sein. Night in the Woods zeigt, dass es keinen Unterschied macht, welche sexuelle Orientierung jemand hat. Wir sind alle gleich. Und so werden die Charaktere in diesem Spiel auch behandelt.

Alles super?

Natürlich sind nicht alle Videospiele perfekt in diesen Belangen. Immer wieder werden LGBT-Charaktere entweder völlig klischeebehaftet dargestellt oder einfach ignoriert. Andererseits machen aber auch sehr viele Filme diesbezüglich immer noch alles falsch.

Der Trend, der sich beobachten lässt, geht aber schonmal in die richtige Richtung. Und wer weiß? Vielleicht ist irgendwann alles gut und wir können endlich damit aufhören, uns über die Sexualität anderer Leute Gedanken zu machen.

Bis dahin können wir einfach nur auf noch weitergehende Inklusion hoffen. In allen Belangen. Auch wenn Lesben bei Dead or Alive nicht unbedingt die beste Lösung sein werden…


Titelbild © Blizzard

[amazon_link asins=’B00MAH2E5K‘ template=’ProductAd_richtig‘ store=’screamingpixe-21′ marketplace=’DE‘ link_id=’e8ffbeb6-bb03-11e7-833c-b1ec5fef04db‘][amazon_link asins=’B017KHBI42′ template=’ProductAd_richtig‘ store=’screamingpixe-21′ marketplace=’DE‘ link_id=’f53d7128-bb03-11e7-92f5-d98a11ac516e‘][amazon_link asins=’B00OVWEV4O‘ template=’ProductAd_richtig‘ store=’screamingpixe-21′ marketplace=’DE‘ link_id=’fee9a42c-bb03-11e7-8491-e7e530934cdf‘]

Autor/Autorin

Clemens Istel

Schon als Kind hatte Clemens lieber den MegaDrive Controller als das Fläschchen in der Hand. Rund ein Vierteljahrhundert macht er bereits virtuelle Welten unsicher. Ob RPG oder FPS, kaum ein Genre ist vor ihm sicher. Selbst im ESport hat der "Head of Head off" von Screaming Pixel seine Erfahrungen gesammelt. Grundsätzlich gilt für ihn: Je openworlder, desto zock!