Die Entwicklung eines Videospiels ist eine Menge Arbeit. Hunderte, manchmal tausende Stunden. Oft sieht man aber nur das Endprodukt. Das Grazer Studio Rarebyte lässt sich während der Arbeit auf die Finger schauen. Live auf Twitch. Von Louis Oelmann.
Rarebyte ist ein kleines, österreichisches Indie-Studio mit Büros in Wien und Graz. Neben diversen Auftragsarbeiten zur Querfinanzierung, wird momentan auch am hauseigenen Projekt Seeds of Sol gearbeitet. Das Spiel, das sich am ehesten in die Kategorie “prozedurales Rogue-like” einordnen lässt, ist mittlerweile seit knapp zwei Jahren in der Entwicklung. Ein großer Teil davon wird live auf Twitch übertragen. Rarebyte-Mitbegründer Rainer Angermann verrät uns mehr über die Hintergründe dieser Entscheidung.
Es kommt nicht auf die Größe an
„Die grundsätzliche Idee hinter dem Stream war eigentlich, während der Entwicklung des Spiels schon eine Community aufzubauen und die Leute teilhaben zu lassen, an dem, was man da so macht. […] Das sind dann Leute, die an dem Spiel, an dem Genre oder auch an der Entwicklung an sich interessiert sind“, verrät Angermann. Den Rarebytes ist hierbei aber nicht nur daran gelegen, ein Netzwerk rund um Seeds of Sol aufzubauen. Das momentane Projekt soll längerfristig eine Community rund um die gesamte Firma ins Leben rufen. Deshalb streamen Angermann und Co über den Firmenaccount.
Seeds of Sol: Das Portal zur Rarebyte-Community © Rarebyte
Angermann sieht besonders das Standing als kleines Indie-Studio mit nur zehn Mitarbeitern als vorteilhaft im Hinblick auf die Development Streams. Bei großen Produktionen mit über 100 Leuten, sei so etwas kaum möglich, da jeder Einzelne nur einen geringen Teil zum großen Ganzen beitrage. “Irgendein Environment Artist wird zum Beispiel, drastisch ausgedrückt, ein Jahr lang für ein großes Spiel nur Grashalme machen.” Ein übertriebenes Beispiel, dass aber nicht vollends aus der Luft gegriffen ist. Darüber hinaus habe bei kleineren Produktionen jeder Einzelne mehr Überblick über das ganze Projekt und könne in einem Stream ein breites Spektrum an Fragen beantworten.
Prozeduraler Content passt einfach
Auch das Spiel-Genre ist laut Angermann nicht unwichtig bei der Entscheidung, ob man etwas streamt oder nicht. “Wenn man kein prozedurales Rogue-like macht wie wir, sondern vielleicht ein lineares, story-driven Game, dann könnte man das in der Form gar nicht streamen. Sonst würde man ja die ganze Story vorwegnehmen.” Seeds of Sol eignet sich also bestens. Durch ständig neue Maps, Items und den allgegenwärtigen Permadeath ist jeder Durchlauf des Spiels zumindest ein bisschen anders. “Selbst wenn wir im Stream einmal das ganze Spiel durchspielen würden, hätte man noch nicht alles gesehen”, so Angermann.
Bei den großen Publishern sieht das etwas anders aus. Immerhin ist “Rogue-like” doch ein Genre, das mehr im indie-Bereich vertreten ist. Bloß keine Inhalte vor Release ausplaudern. Rarebyte geht die Sache lockerer an. “Wir haben diesen Arbeitsmodus nicht, den viele Firmen haben, dass so lange im Geheimen getüftelt wird, bis das Ding releast ist. Wir wollten einen anderen Weg einschlagen.” Und diesen anderen Weg haben bisher noch nicht viele eingeschlagen. Oft seien es nur einzelne Developer, die ihren Entwicklungsvorgang streamen. Rarebyte ist laut Angermann als Studio schon eher die Ausnahme als die Regel.
Lernen auf beiden Seiten
Die Streams von Rarebyte teilen sich grundsätzlich in zwei Arten. Die erste sind die reinen Development Streams, bei denen es einzig darum geht, weiter zu programmieren. Im Prinzip wird hierbei die Arbeit, die sowieso ansteht, nun zusätzlich gefilmt. Ganz so einfach sei es aber laut Angermann nicht. Immerhin müsse man neben der Arbeit auch noch die Interaktion zum Chat suchen und gleichzeitig über das reden, was man gerade tut. Etwas zusätzlicher Aufwand ist also schon da.
Es kann schon manchmal etwas unübersichtlich werden. © Rarebyte
Aber nicht alles, was programmiert wird, läuft auch im Stream. Zum einen streamt immer nur eine Person, die aber nicht die einzige im Büro ist, die gerade arbeitet. Zum anderen gebe es auch Sachen, die sich einfach nicht für einen Stream eignen. “Wenn man kein neues Feature macht, sondern nur Bugs finden muss, dann ist das erstens schwer, darüber zu reden und zweitens auch nicht so interessant zum Zusehen”, so Angermann. Trotzdem versuche man, möglichst viel zu zeigen und auch Wissen zu vermitteln. Kommen Fragen aus dem Chat, so werden diese nach Möglichkeit beantwortet. Umgekehrt helfe aber auch das Feedback der Community.
Das ist vor allem bei der zweiten Stream-Art, den Playtesting Streams, der Fall. “Wir laden irgendwen aus der Community oder aus dem Umfeld ein, das Spiel zu spielen und diese Person soll beim Spielen alles sagen, was sie denkt”, fasst Angermann zusammen. Was ist cool? Was funktioniert noch nicht so? Was ist vielleicht unverständlich oder zu schwer? All diese Fragen sollen geklärt werden. “Der Entwickler, der beim Stream mit dabei sitzt, kommentiert und erklärt dann entsprechend. Und auch aus dem Chat kommen natürlich Anmerkungen.” So hilft man sich gegenseitig. Die Community lernt beim Zusehen und Rarebyte lernt, was man besser machen kann.
Es kann alles passieren
Angermann streamt Seeds of Sol nun mit einigen Unterbrechungen seit über anderthalb Jahren und kennt sich schon auf Twitch aus. Für ihn ist der Stream schon Teil seiner Arbeit und auch ein Ort, an dem besonders schöne Momente passieren. Das treffe vor allem auf die Playtesting Streams zu, bei denen man hautnah die Reaktionen miterleben kann. “Am schönsten sind die Momente, in denen jemand Spaß beim Spielen hat. Meistens sind das Situationen, in denen man auf dem schmalen Grat zwischen Game Over und Überleben wandelt und es dann schafft”, erzählt Angermann.
Schafft man es oder schafft man es nicht? © Rarebyte
Um dieses Feedback zu bekommen, muss natürlich einiges richtig laufen. Auch das ist laut Angermann besonders schön: “Der Moment, an dem man sieht, dass die Systeme, die man vielleicht über Monate hinweg gebaut hat, ineinandergreifen und funktionieren und am Ende zu Spielspaß führen.” Der Weg dahin ist aber nicht immer ein streng linearer. “Manchmal driftet es auch komplett ab, weil irgendwas aus dem Chat kommt. Das ist ja auch das Spannende an der Live-Geschichte. Es kann quasi alles passieren.”
Dev Streams: Es lohnt sich
Als Zuseher kann man aber nicht nur wertvolle Entwicklungstipps und einen Einblick in die Entstehung eines Spiels erhalten. Immerhin wolle Rarebyte ja auch die Leute belohnen, die besonders engagiert dabei sind. Das funktioniert zum Beispiel durch ein Stream-internes Belohnungssystem. Für zehn Minuten Anwesenheit im Stream bekommt man automatisch zehn sogenannte Bytes gutgeschrieben. Das ist die Stream-Währung, die man dann in einem Reward-Shop ausgeben kann. So kann man gegen Bytes zum Beispiel Spielinhalte benennen oder seinen Namen in den Credits verewigen. Darüber hinaus soll es auch exklusive Zugänge zu Spielinhalten geben. “Die Leute, die schon lange den Stream verfolgen, sind zum Beispiel die ersten, die in einen Beta-Test kommen. Es zahlt sich also für die Viewer auch aus.”
Rarebyte geht sogar noch einen Schritt weiter und bietet auch physische Belohnungen an. Das sind etwa eine Tasse oder Postkarten mit Concept Arts. Diese Postkarten sind auch Teil einer weiteren Community-Interaktion vonseiten Rarebytes. Vor jedem geplanten Stream gibt es zirka 10 bis 15 Minuten Pre-Stream, bei dem man nur die Office-Szenerie sieht. Dort sind irgendwo die genannten Postkarten versteckt. Wer sie findet, kann sie “claimen”, indem der- oder diejenige einen Screenshot macht und an Rarebyte tweetet. Auf dem Postweg finden die Karten dann ihren Weg zu den Gewinnern.
Rarebyte streamt jeden Donnerstagnachmittag und auch spontan an anderen Terminen. Weitere Infos auf Twitch und allen sozialen Kanälen.
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