Spieleverfilmungen leicht gemacht

Immer mehr Spiele schaffen den Sprung auf die Leinwand. Aber ein beträchtlicher Teil stellt sich als unterwältigend heraus. Dabei gibt es für Spieleverfilmungen eigentlich ein einfaches Rezept.

Grundsätzlich sollte es, ein entsprechendes Budget vorausgesetzt, kinderleicht sein, ein Videospiel in einen Film zu übersetzen. Cutscenes sind als Vorlage bereits genug vorhanden. Den Teil, den wir als Spieler selbst in der Hand haben, kann man zumeist ebenfalls mit choreografierten Actionszenen und handelsüblicher Schauspielerei nachstellen. Auch die Expertise für aufwändige Animationen, Motion-Capturing, CGI und Co dürfte im Dunstkreis der Gamingindustrie irgendwie aufzutreiben sein.

Wie kommt es also, dass wir uns mehr als einmal gefragt haben, was uns die Leute aus Hollywood da für einen Bockmist serviert haben?

Fehleranalyse

Ein offensichtlicher Fehler vergangener Versuche war, dass den Machern scheinbar nicht klar zu sein schien, welche Games und Genres sich für eine Spieleverfilmung eignen. Unweigerlich fällt hier der Titel Need for Speed. Aber dazu ein andermal mehr.

RPG, Action, Adventure, Horror, alles Genres, die in der Regel sehr vielschichtige Vorlagen für Spieleverfilmungen bieten. Zumindest die AA- oder AAA-Vertreter, die tatsächlich für Kinosäle in Betracht gezogen werden. Einem Gran Turismo oder Tetris fehlt der storytechnische Tiefgang bekanntlich. NEIN, Uwe Boll! Lass es!

Merke: Marke

Um das Dilemma der gescheiterten Verfilmungen zu verstehen, muss man die Perspektive der Spieler verstehen. Jede Marke hat ihr eindeutiges Erkennungsmerkmal. Manche sogar mehrere. Selbst weniger Sportbegeisterte haben eine eindeutige Assoziation, wenn sie den Haken von Nike sehen. Ebenso ist der dazugehörige Slogan “Just do it” über den ganzen Globus bekannt. Diese Merkmale stehen für etwas. Wir assoziieren “Style”, “Sport”, “Tragekomfort” und “Verlässlichkeit” mit der Marke. Mehr noch, verbinden wir sie auch gleichzeitig mit den berühmten Sportlern, die für Nike als Markenbotschafter agieren.

Als Spieler eines Computerspiels ist das Erlebnis ungleich intensiver. Wir sehen die Geschichte nicht nur, wir gestalten sie mit. Zumindest suggeriert uns dies der Umstand, dass wir die Steuergeräte bedienen. Wir tauchen also tief in die virtuelle Welt ein, verbinden uns ein Stück weit mit ihr. Wir spüren, wie sie auf uns wirkt. Ihre Stimmung überträgt sich auf uns. Die Orte und ihr Flair werden uns vertraut.

Dazu kommen ikonische Figuren, die untrennbar mit einem Spiel oder gar einer ganzen Serie verbunden sind. Dabei ist noch nicht einmal die Hauptfigur gemeint. Metal Gear Fans kennen Revolver Ocelot besser als sich selbst. Final Fantasy Gamer wissen ganz genau, welche Schuhgröße Bahamut und Shiva haben, und dass sie eigentlich selten Schuhe tragen.

Tomb Raider mit Alicia Vikander

Alicia Vikander wird die neue Lara Croft. © Square Enix

Rund um diese Charaktere, Orte und Stimmungen wird dann eine Geschichte gesponnen. Eine Geschichte, die uns von Anfang an fesselt. Eine Illusion von alternativem Leben, der wir uns nur gar zu gerne hingeben. Sehr oft gelingen Spiele, weil sie geschickt versteckt oder auch ganz offensichtlich Anker in der realen Welt haben, die uns das gesamte Konstrukt plausibel und nachvollziehbar machen. Hier versteckt sich bereits ein eindeutiger Hint, was Spieleverfilmungen im Vorfeld machen sollten.

Authentizität ist das Stichwort.

Liebe Filmemacher, falls es noch nicht klar sein sollte: Ihr macht diese Spieleverfilmungen für uns Spieler! Uns müsst ihr zufriedenstellen. Unseren Ansprüchen müsst ihr gerecht werden. Nicht, weil wir das Recht hätten, euch rumzukommandieren. Nicht, weil wir das einzig wichtige Publikum sind. Sondern weil nur wir euch sagen können, ob euer Film gelungen ist. Weil wir es sind, die in unzähligen Spielstunden die Essenz und die Gesamtheit eines Spiels aufgesogen haben. Wenn aus unseren Reihen Lob kommt, dann habt ihr den Kern eines Videospiels getroffen.

Werdet zu uns! Durchlebt die Welten und Geschichten wie wir es tun. Geht zu Claptraps Geburtstagsparty. Trinkt mit Geralt von Riva ein Bier in einer Bar. Schaltet das Licht aus und spaziert wieder und wieder durch das neblige Silent Hill. Fürchtet euch, lacht, trauert, wenn ein liebgewonnener Charakter in einem herzzerreißenden Twist plötzlich stirbt.

Es reicht nicht, wenn die Schneiderin von nebenan dem Schauspieler ein halb authentisches Kostüm überstülpt. Wir Gamer sind erst der Anfang. Im Idealfall soll ein Film auch Außenstehende für ein Franchise begeistern. Dann muss man diesem Publikum auch Grund dazu geben.

Warcraft: The Beginning

Making of „Warcraft: The Beginning“. © Legendary

Innovation VS Authentizität

Sich Feedback zu holen, ist leicht. Die wirkliche Herausforderung bei Spieleverfilmungen ist der Konflikt von Authentizität und Innovation. Wie nahe bleibt man an der Vorlage, um den Kern des Spiels zu treffen? Zweifellos gibt es Fans, die ein exaktes Abbild ihres geliebten Videospiels auf der Kinoleinwand wiederfinden wollen. Bei näherem Hinsehen erscheint das aber als die seichteste Variante. Trotz der starken Treue zu Setting und Story. Der Film kann unmöglich überraschen. Es braucht einen neuen Twist.

Hier trennt sich die Spreu vom Weizen. Einige Filme übertragen die Vorlage ausgezeichnet und schaffen es dabei sehr flüssig, neue Elemente in bekannte Umstände zu etablieren. Silent Hill fällt mir dazu ein. Und auch wenn sich hier die Geister scheiden: Tomb Raider wurde ebenfalls gut in das neue Medium übertragen. Weniger gelungen ist das zum Beispiel bei Final Fantasy: The Spirits Within. Wenngleich der Film technisch einwandfrei über die Screens flatterte, ließ er doch schmerzlich vermissen, was die Spieleserie bis dato ausgemacht hat. Näheres zu den Titeln ein andermal.

Halten wir fest: Die Spielwelt samt Charakteren, Schauplätzen, Musik und dadurch generierter Stimmung sind die eine Basis, auf der eine Spieleverfilmung gründen kann. Solange diese Rahmenbedingungen gegeben sind, macht es auch nichts aus, wenn der Protagonist eine neue Geschichte erlebt.

Die zweite Basis ist die Geschichte selbst. Sofern diese den notwendigen Wiedererkennungswert hat, kann der andere Teil wegfallen. Auch wenn Videospiele eine beträchtliche Fanbase besitzen, ist Zweiteres der riskantere Weg. Bilder wirken sehr intensiv und brennen sich tiefer in unser Bewusstsein als ein Dialog. Dass diese Variante funktionieren kann, haben bereits Filme wie Coriolanus gezeigt – ein Shakespeare-Stück übersetzt in ein modernes Setting.


Auf der Basis dieser Zeilen werden wir künftig auf vergangene und aktuelle Spieleverfilmungen blicken. Wir werden positive und weniger gelungene Beispiele analysieren. Wir werden feststellen, welche Spiele sich zur Filmumsetzung eignen, welche dabei Potential verspielt haben und welche die Konzeptionsphase eigentlich nie überstehen hätten dürfen. Wir werden über Besetzungen sprechen und über Regisseure – aber auch über die Filme, die wir uns immer noch sehnsüchtig wünschen.


Titelbild: © Ubisoft

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Autor/Autorin

Clemens Istel

Schon als Kind hatte Clemens lieber den MegaDrive Controller als das Fläschchen in der Hand. Rund ein Vierteljahrhundert macht er bereits virtuelle Welten unsicher. Ob RPG oder FPS, kaum ein Genre ist vor ihm sicher. Selbst im ESport hat der "Head of Head off" von Screaming Pixel seine Erfahrungen gesammelt. Grundsätzlich gilt für ihn: Je openworlder, desto zock!