Sterben die LAN-Partys aus?

Vor einem Jahr hat die größte und längste LAN-Party-Serie Österreichs ihre Pforten geschlossen. Laszlo Palocz war über 15 Jahre das Gesicht der Veranstaltung. Im Zuge der letzten LAN im April 2016 zog der Veranstaltungstechniker des forumKloster Resümee.

exFired: Vor über 15 Jahren hat die mittlerweile größte und längste LAN-Partyserie das Licht der Welt erblickt. Kannst dich noch an die Anfänge erinnern?

Laszlo Palocz: Eine ganz tolle Geschichte: Im Jahr 2000 hat Wolfgang Pinitsch, der Gründer der nur48stunden-LAN-Party selbst, die erste LAN in der Brauerei Puntigam veranstaltet. Wolfgang hat sich auf das Organisatorische konzentriert und ich anfangs nur auf das Eintrittssystem. Roman Philipp, mein heutiger Stellvertreter und gelernter Elektriker, war damals für den Strom zuständig. Er hat Wolfgang Pinitsch bereits gekannt. Christian Cencic war zuständig für die Netzwerktechnik. Er hat eher aus Jux und Tollerei mitgemacht. Dieser Teil des Teams hat schon früh beschlossen: “Wir wollen einen Verein, der LAN-Partys in Österreich veranstaltet.”

Du warst aber nicht von Anfang an Obmann. Wie hat sich der Vorstand dann geformt?

Nach der fünften LAN-Party habe ich vorgeschlagen, einen Verein mit dem Namen „nur48stunden“ zu gründen. Um die ganzen Formalitäten mit dem Land Steiermark habe ich mich gleich sorgfältig gekümmert. Deswegen hat die Vereinsgründung auf Anhieb geklappt. Damals hat leider, oder Gott sei Dank, noch keiner gewusst, was eine LAN Party ist. Dadurch ging der Antrag auch leichter durch.

Was hat damals den Reiz so einer LAN-Party ausgemacht? Was hat die Leute angezogen?

Unsere LAN-Partys sind dazu da, dass Spieler, die sich nur übers Internet kennen, an einem Ort zusammentreffen und gemeinsam Turniere und Meisterschaften spielen. Ich war viel in der Politik unterwegs und habe auch Erfahrung als Gemeinderat gesammelt. In der Politik habe ich das immer wieder sehr positiv verkauft, entgegen der landläufigen Meinung über LAN-Partys.

Laszlo „Lozi“ Palocz

Welchen Ruf hatten diese Veranstaltungen anfangs?

Das war eine Katastrophe. Die meisten haben gemeint haben, dass es dort nur Alkohol und Drogen gibt. Das habe ich reduziert, indem ich gesagt habe, bei meiner LAN Party gibt es das nicht! Und das war auch immer der Fall. Ich bin davon überzeugt, dass wir als Verein nur48stunden, und ich als Person, den Ruf der LAN-Party-Szene in Österreich vom Keller in das Penthouse raufgebeamt haben. Auch in der Politik.

Bei uns treffen sich die Leute um Know-How auszutauschen. Um zu schauen, was es Neues auf dem Markt gibt. Es ist ein geselliges Zusammentreffen. Drei Tage und zwei Nächte, mit 350 Jugendlichen und Junggebliebenen aus ganz Österreich und dem Ausland und es passiert nichts. Es gibt keine Schlägerei, keine Polizei, keine Feuerwehr. Dieser gute Ruf hat in der Steiermark und über die Grenzen hinaus die Runde gemacht.

Du hast einmal erzählt, dass du in Wien auf einer Gamingveranstaltung junge Zocker getroffen hast, die gar nicht mehr gewusst haben, was eine LAN-Party ist. Sind die LANs aus der Mode?

Ich glaube wir haben einen Generationswechsel gehabt. Wir Älteren haben es verschlafen, Jüngere wieder zu motivieren und ihnen zu zeigen, was eine LAN Party ausmacht. Ich glaube, wir selber sind irgendwie verantwortlich. Bei der Gamecity in Wien war es für mich kein simpler Infostand, sondern eher Aufklärungsarbeit. Ich glaube, dass speziell Wien da sehr viel versäumt hat. Ich glaube auch, dass die Jugendlichen fauler geworden sind, und eher sehr viel zuhause zocken. Sie machen sich einfach nicht mehr die Mühe, das Zeug zusammenzupacken und an einem gemeinsamen Event teilzunehmen. 

Weil du sagst „zuhause“: Wann hattest du deinen ersten PC zuhause?

Ich war einer der ersten, in meinem Außendienst, der mit PCs gearbeitet hat. Mit 21 Jahren habe ich meinen ersten PC gehabt. Aber keine Spiele drauf.

Das ist ein Mysterium: Der Kopf dieser Veranstaltung, und trotzdem zockst du selbst nicht. Wie hast du dich dieser Welt entzogen?

Ich hasse Spiele prinzipiell. Ich will sie nicht auf meinem PC haben. Mir ist meine Zeit zu wertvoll. Aber ich liebe es, Jugendlichen zuzuschauen. Ich hab auch meinem Sohn immer erlaubt, Computerspiele zu spielen. Natürlich altersbegrenzt. Ich habe ihm immer die Zeit gegeben zu trainieren. Das ist genau so ein Training wie Fußballtraining. Wie in jeder anderen Sportart ist es auch eine Trainingsfrage. Nur dadurch lernt man.

Dicht an dicht stehen die PCs im forumKloster

Hast du keine Angst, dass sie sich deine Kinder in der virtuellen Welt verlieren?

Nein, überhaupt nicht. Der Sohnemann trainiert zwar sehr viel mit dem INRI Clan, Tag und Nacht kann man fast sagen, aber sie haben gelernt bestimmte Zeiten einzuhalten. Ich hab sie immer wieder kontrolliert. Somit habe ich das ein bisschen in Grenzen gehalten.

Stimmt das Klischee, dass Gamer besonders leicht “computersüchtig” werden?

Ich glaube die Sucht ist dann da, wenn derjenige keinen anderen Halt oder keine Abwechslung hat – auch wenn man keine Kontrolle durch andere Personen hat. Meinen Sohn lasse ich eine gewisse Zeit zu spielen. Irgendwann merke ich, es wird zu viel. Acht Stunden durchgehend, das geht nicht. Ich trainiere auch nicht acht Stunden. Ich mache Pausen. Hier sind einfach die Eltern gefordert. Das habe ich von Anfang an auch bei der LAN-Party eingeführt und durchgezogen. Wir haben Turnierzeiten und dazwischen Spielpausen.

Dein Sohn spielt sogar erfolgreich und hat auf der nur48stunden-LAN schon Turniere gewonnen. Wie würdest du reagieren, wenn er eines Tages sagt, er will das Hobby zum Beruf machen und Profispieler werden?

Kein Problem. Sofort. Ich unterstütze ihn.

Sind Computerspiele ein Fluch oder ein Segen für unsere Gesellschaft?

Ein Fluch sicher nicht. Die Generation lebt damit. Man kann spielen und man kann arbeiten. Das muss man verbinden.

Früher wurden Bücher verteufelt, weil man in eine fremde Welt abtaucht. Ähnlich spricht man heute über Computerspiele. Gibt es aus deiner Sicht so etwas wie bessere oder schlechtere Hobbies?

Nein. Computerspielen verfällt man leichter, weil man selber die Fantasie nicht mehr anregen muss. Bei Büchern hat man sich selbst die Fantasiewelt erstellt, während man die Worte gelesen hat. Heutzutage, das ist der Nachteil, liest man generell sehr wenig. Wenn ich meine Kinder bitte, etwas auf dem PC zu machen, klicken sie nur noch. Sie kennen die Warnmeldungen oder den Lauf einer Installation. Aber wenn irgendein Problem auftaucht, schreien sie. Dann sage ich immer: „Erst lesen, und dann weiterklicken!“ Ich glaube, dass die Zeit einfach zu schnelllebig ist und die Jugendlichen nicht mehr die Zeit nutzen, wirklich alles durchzulesen.

Gemeinschaft steht im Fokus einer LAN

Zurück zur LAN-Party. Du warst bei der LAN immer auf die Kooperation mit der Politik angewiesen. War das immer ein harmonisches Verhältnis?

Auf jeden Fall. Für mich war es trotzdem immer sehr wichtig, dass unser Verein unparteiisch ist. Wenn ich den Vorstand anschaue, ich bin ein ÖVPler, wir haben Grüne drinnen, wir haben Blaue drinnen, wir haben Rote drinnen. Wirklich jede Partei. Wenn ich um Unterstützung und Förderung angesucht habe, habe ich nicht immer nur eine Partei angeschrieben, sondern alle. Für mich ist der Verein „nur48stunden“ eine überparteiliche Organisation.

Woran liegt es dann letzten Endes, dass der Verein jetzt seine Tätigkeit einstellt und es die LAN Party nicht mehr gibt?

An meiner Person. Ich habe gemerkt, dass ich einfach alt bin. Ich habe nicht mehr die Kraft so eine LAN-Party durchzuführen. Wir haben bei der November-LAN eine kurze Vorstandssitzung gehabt, in der ich das bekanntgegeben habe. Wir haben vier Partys hintereinander weniger zahlende Teilnehmer gehabt. Dadurch sind wir unter ein bestimmtes Limit gekommen. Es gibt eine Grenze, bis zu der die nächste LAN möglich ist. Die letzten vier Mal mussten wir eine organisieren, um die Rechnung der alten LAN-Party zu zahlen.

Also geht es leider doch immer ums Geld?

Selbstverständlich. Ich hafte persönlich. Ich habe vor zwei Wochen die letzte Rückzahlung eines großen Zwischenfalles bei Teil 10 und 11 der LAN gemacht, der von einem gewissen Herren verursacht wurde. Er hatte damals etwas bestellt, wovon der Vorstand nichts wusste, wofür aber trotzdem unser Verein haftbar gemacht und dadurch geschädigt wurde. Das musste ich als Privatperson rückzahlen. Diese Geschichte möchte ich nicht wiederholen.

Bestünde nicht die Möglichkeit, ein paar deiner Verpflichtungen abzugeben?

Wir haben diese Spiele schon alle durchgespielt. In allen Bereichen. Das Problem, oder die gute Sache für den Verein, war immer, dass ich das meiste organisiert habe, weil ich bekannt war. Für diese LAN-Party habe ich 12.000 € Sponsorgeld aufgestellt.  Aber ich muss mir auch von einer LAN zur nächsten die Zeit nehmen die Rechnungsabschlüsse zu machen, die Dankeschöns an die Politiker und die Sponsoren zu schreiben. Dann kommen die nächsten Zahlungen rein. Dann müssen die nächsten Reservierungen gemacht werden. Die Homepage muss aktualisiert werden. Ich bin das ganze Jahr beschäftigt mit „nur48stunden“. Das ist eine tolle Sache, die mir bis jetzt viel Freude bereitet hat. Aber ich will endlich einmal abschalten.

Eine der letzten Siegerehrungen mit Laszlo Palocz

Wohl längst verdient. Übernimmt jemand oder kommt etwas Neues mit dem Verein?

Wir haben gestern wieder eine kurze Besprechung gehabt. Die Situation ist jetzt im Vorstand so, dass wir erst einmal Pause machen. Und dann schauen sie weiter. Ich habe damit abgeschlossen. Ich mache es nicht mehr. Der Name „nur48stunden“ bleibt. Der Verein bleibt. Ich muss ja nicht dabei sein. Der Verein kann ja ohne weiteres weiter bestehen. Die Veranstaltungen können weiterhin laufen. Es will aber zur Zeit keiner Verantwortung, Organisation und Management übernehmen.

Mein Gedanke war, meine Kinder übernehmen es. Christina das Management – sie ist schon älter und erwachsener, hat schon ein bisschen Erfahrung. Sie kennt sich mit dem System aus. Und Domenic die technische Seite. Wir wollten die Jungen einschulen, damit sie das übernehmen. Sie sind aber leider noch zu jung. Die Übergangszeit will ich nicht mehr abwarten. Ich habe 15 Jahre Jugendarbeit in der LAN-Szene gemacht. Wenn es jetzt jemand weitermachen will, schul ich gerne ein, aber ich will dann nichts mehr zu tun haben.

Für welches Hobby wirst du dir jetzt Zeit nehmen, wenn das Jahr auf einmal so frei ist?

Das Jahr ist nicht frei. Ich bin hier extrem angehängt mit den Veranstaltungsbetreuungen und bin sehr selten zuhause. Ich will aber diese Zeit, die ich zuhause bin mit meiner Familie, meiner Frau verbringen. Und wir genießen Juli und August. Ein Monat Zeitausgleich, ein Monat Urlaub. Ich mache das schon seit 3 Jahren. Und ich brauche das. Wenn ich das nicht machen würde, dann bekäme ich einen Herzkollaps.

 


Bilder: © nur48stunden.at

[amazon_link asins=’B00ADW9R22′ template=’ProductAd_richtig‘ store=’screamingpixe-21′ marketplace=’DE‘ link_id=’fc3183f9-bb0a-11e7-917c-310427faf03e‘][amazon_link asins=’B06VVS7S94′ template=’ProductAd_richtig‘ store=’screamingpixe-21′ marketplace=’DE‘ link_id=’0764567d-bb0b-11e7-a10f-0f5d9e30e263′][amazon_link asins=’B00BJF9JPC‘ template=’ProductAd_richtig‘ store=’screamingpixe-21′ marketplace=’DE‘ link_id=’1417607a-bb0b-11e7-bd4e-455c35c2ae4f‘]

Autor/Autorin

Clemens Istel

Schon als Kind hatte Clemens lieber den MegaDrive Controller als das Fläschchen in der Hand. Rund ein Vierteljahrhundert macht er bereits virtuelle Welten unsicher. Ob RPG oder FPS, kaum ein Genre ist vor ihm sicher. Selbst im ESport hat der "Head of Head off" von Screaming Pixel seine Erfahrungen gesammelt. Grundsätzlich gilt für ihn: Je openworlder, desto zock!