Sündenbock Shooter – Ballerspiele mal anders

Wir alle kennen die alte Leier: Shooter werden oft als “Killerspiele” betitelt. Gewalttätig und stumpf, innovationsloses Geballer. Manche Spieleentwickler sträuben sich gegen dieses Klischee.

“Alte neue ‚Killerspiel‘-Debatte: Sind Ego-Shooter gefährlich?“ titelt nTV im Sommer 2016. Der Medienpsychologe Weiß sagt: „Diese Spiele tragen im großen Umfang zur Verrohung der Gesellschaft bei – aber es ist vermessen, zu sagen, dass aus jedem Spieler ein Attentäter wird“. Da haben wir ja noch einmal Glück gehabt.

Dass wir, die Spieler, zu diesem Thema selten zu Wort kommen, scheint dabei ungeachtet. Wir sind uns, glaube ich, einig, dass viele Shooter stumpfe Gewalt darstellen. Wir sind uns wohl auch einig, dass das niemanden von uns zu einem schlechteren Menschen macht. Worüber müssen wir also noch reden? Über die Shooter, die zwar die typische Mechanik des ‚Waffe nehmen und drauf ballern‘ übernehmen, mit dem Killerspiel-Klischee an und für sich aber nichts zu tun haben.

Möge die Schlacht der Farben beginnen

Seit 21. Juli kann man wieder seine Farbpistolen zücken und als “Inkling” in Splatoon 2 versuchen, die Weltherrschaft an sich zu reißen. Naja, zumindest die Map. Das gelingt durch konsequentes Einfärben der Spielwelt. Mit Tinte. Und einer Waffe. Waffe? Das muss dann ja ein Ego-Shooter-Killerspiel sein!

Wer färbt schneller ein? ©Nintendo

Wer färbt schneller ein? ©Nintendo

Falsch gedacht. Nintendos Erfolg mit dem schnellen, quietschbunten Funshooter war vorprogrammiert. Der erste Teil verkaufte sich gut, der zweite Teil, nun auf der Nintendo Switch, bleibt dem Prinzip treu und garantiert immer noch genauso viel Spaß.

Splatoon schafft es, die Shootermechanik auf ein ganz anderes Thema zu lenken. Während in klassischen Ballerspielen meistens auf Leute gezielt wird, setzt Splatoon bewusst auf ein kinderfreundliches Thema. Mit Waffen wie der “Airbrush MG” oder dem “Kleckskonzentrator”, der sich wie eine Sniper spielt, färbt man zusammen mit seinem Team munter vor sich hin.

Und ja, Splatoon ist ein Shooter. Verschiedene Waffen, die sich unterschiedlich spielen und unterschiedliche Spezialfähigkeiten haben, Granaten, Ausrüstungen und taktisches Spielen bringen eine gewisse Würze in den Nintendo-Bestseller.

Die Tintenwaffen im Anschlag zum einfärben bereit machen. ©Nintendo

Die Tintenwaffen im Anschlag zum einfärben bereit machen. ©Nintendo

Und wenn man gerade mal keine Lust auf Farbexplosionen hat, dann ballert man sich eben quer durch den Raum. Wie bei unserem nächsten Vertreter der Kategorie ‚Shooter, aber kein Killerspiel‘.

The cake is a lie

2007 brachte uns Valve Portal, eines der besten und kultigsten Puzzlespiele aller Zeiten. Die Chancen stehen gut, dass selbst Dauerkosmonauten von diesem Titel bereits gehört haben. Angesiedelt im Half-Life Universum, versucht man sich mit seiner “Portalgun” Teleportationsportale zu erschaffen, um verschiedene Aufgaben zu lösen.

Chell, Testperson für die Forschungseinrichtung Aperture Science Enrichment Center der Aperture Laboratories, (Danke für den Zungenbrecher, Valve) soll die neue Teleportationsmöglichkeit testen. Sie muss verschiedene Areale durchqueren und wird dabei von der wunderbaren GlaDOS, einer weiblichen Computerstimme, unterstützt. Wir lieben sie doch alle.

Auch bei der Forsetzung bewährt sich das Spielprinzip. ©Valve

Auch bei der Forsetzung bewährt sich das Spielprinzip. ©Valve

Man zielt mit einer Waffe auf etwas und schießt. Shooter-Mechanik. Nur, dass es auch in diesem Fall nicht darum geht, auf Menschen oder andere Lebewesen zu schießen. Es geht nicht einmal primär darum, mit dieser Waffe Schaden anzurichten, sondern – ganz simpel – darum von A nach B zu kommen. Erschreckend, oder?

Der Begriff “Killerspiel” wurde übrigens bereits 1999 im deutschen Sprachgebrauch etabliert. Bayerns damaliger Innenminister Beckstein verwendete das Wort im Zusammenhang mit einem gewollten Verbot dieser Spiele nach einem Amoklauf.

Nur zwei Jahre später kam ein “Shooter” auf den Markt, der sogar gänzlich ohne Waffen auskam.

Sniperkünste an der Kamera

Wanadoo gab 2001 das japanische Survival-Horror-Adventure Project Zero (in den USA als Fatal Frame vertrieben) von Entwickler Tecmo für die Playstation 2 und Xbox heraus. Der amerikanische Titel lässt bereits vermuten, welche Waffe unsere Protagonistin Miku Hinasaki darin verwendet: Eine Kamera.

Aber eine Kamera ist doch keine Waffe und somit ist Project Zero kein Shooter. Jain. Natürlich kann man das Halten einer Kamera nicht mit dem Halten einer Pumpgun vergleichen. Die Spielmechanik dahinter ist allerdings die gleiche. Man zielt, sucht sich sein Objekt, und drück ab. In diesem Fall nicht den Abzug, sondern den Auslöser.

Mit einer sogenannten “Camera Obscura” ausgerüstet versucht Miku Hinasaki herauszufinden, was mit ihrem Bruder geschehen ist. Sie trifft dabei auf Geister, die sie mit ihrer Kamera „abschießen“ muss. Die Kamerasicht erinnert durch das Fadenkreuz in der Mitte stark an ein Zielfernrohr einer Sniper.

Ballerspiele sind nicht gleich Ballerspiele

Spieleentwickler brechen gerne Konventionen. Sie nehmen ein Element eines Genres und versuchen daraus etwas Neues zu machen. Bei den drei genannten Vertretern hat das ausgezeichnet funktioniert. Und dabei ist noch ein schöner Nebeneffekt entstanden: Waffen in Games werden in ein anderes Licht gerückt.

Die Portalgun kann auch zum Umgestalten der Umgebung genutzt werden.©Valve

Die Portalgun kann auch zum Umgestalten der Umgebung genutzt werden.©Valve

Splatoon, Portal und Project Zero zeigen, dass man Waffen nicht nur für stumpfe Gewalt verwenden kann. Sei es das simple Einfärben einer Fläche, als Werkzeug zum Lösen von Rätseln, oder um Geister einzufangen. Die Verwendungsmöglichkeiten sind grenzenlos.

Wir hoffen auf weitere kreative Shooter, die nicht auf Gewalt abzielen und alternative Waffen nutzen. Vielleicht kann das Shootergenre dadurch auch ein bisschen Reputationspflege betreiben.


Titelbild: ©Valve und ©Nintendo

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