Über die Hassliebe zum Ende von The Last of Us

Das Ende von Naughty Dogs gefeiertem Action-Adventure hat mich leer und enttäuscht zurückgelassen. Erst auf den zweiten Blick wird klar, dass das vielleicht gar nicht so schlecht ist. Von Florian Born.

Naughty Dogs The Last of Us aus dem Jahre 2013 ist eines der meistgefeierten Spiele der letzten Jahre. Es ist spannend, berührend und nicht zuletzt gerade so schwierig, dass es einen fordert aber eben nicht überfordert. Vor allem die Geschichte des Spiels hat dabei einen Eindruck auf die internationale Spielergemeinschaft hinterlassen und wieder einmal aufs Neue bewiesen, dass Videospiele eben nicht nur stumpfe Gewaltorgien sein müssen.

Auch mich hat die Geschichte von Joel und Ellie berührt. (Logischerweise muss ich übrigens an dieser Stelle eine SPOILERWARNUNG einfügen. Aber das konntet ihr euch vermutlich sowieso denken.) Egal ob es die Passage mit Henry und Sam und dem grauenhaften Tod der beiden Brüder oder diese Sache mit dem pädophilen Kannibalen David war. Mir läuft es jetzt noch kalt den Rücken herunter, wenn ich an den Bosskampf gegen letzteren denke…

Trotz all der Stärken…

Leider aber hat The Last of Us auch eine Schwachstelle, die einen Schatten auf das ganze Spiel wirft: das Ende. Man könnte jetzt sagen: Das Ende ist nicht so toll. Es hat ein paar Schwächen, aber… Nein! Das Ende von The Last of Us war enttäuschend und sonst nichts. Lasst es mich euch in Erinnerung bringen:

Dem Ende entgegen.

Nachdem Joel seine Verwundung überstanden und Ellie diese grauenhafte Passage mit den Kannibalen irgendwie überlebt hat, haben die beiden eine neue Beziehung zueinander gefunden. Während des Jahres, in dem sie gemeinsam durch ein postapokalyptisches Amerika gezogen sind, sind sie zu dem Zeitpunkt, als sie Salt Lake City erreichen, mehr als nur Partner geworden: Sie sind wie Vater und Tochter füreinander. Auch wenn keiner der beiden das offen zugeben würde.

Sie erreichen also Salt Lake City, müssen sich zuerst aber noch durch einige Horden von Infizierten und Clickers kämpfen, um dann beinahe zu ertrinken. Schließlich treffen sie auf eine Gruppe Fireflies, die nach alter amerikanischer Manier zuerst aggressiv vorgehen, bevor sie Fragen stellen. Joel wird niedergeprügelt, Ellie ist bewusstlos vom Beinahe-Ertrinken – ehrlich Kind, lern schwimmen (!) – und sie werden in das Versteck der Gruppe gebracht.

Vom Freund zum Feind

Joel wacht auf und trifft Marlene, die Anführerin der Fireflies, wieder. Sie zeigt sich zunächst beeindruckt von Joels Weg und dankt ihm dafür, dass er Ellie sicher zu ihnen gebracht hat. Aber sie offenbart ihm auch, dass es nur einen Weg gibt, wie sie die Impfung erschaffen können, wegen der Joel und Ellie den ganzen Weg auf sich genommen haben:

Sie müssen Ellie töten.

Joel hat damit natürlich keine Freude, was uns zu den letzten Schleich- und Kampfpassagen im Hauptquartier der Fireflies führt, als der bärtige Grummel sich auf den Weg macht, um nicht noch eine Tochter zu verlieren. Ein wenig Blut und Gemetzel später holt er Ellie aus dem OP raus und läuft in den Fahrstuhl. Mit der narkotisierten Ellie über der Schulter kommt er hinunter in die Tiefgarage und trifft wieder auf Marlene. Sie fleht ihn quasi an, es zu überdenken. Nach der Devise: Was ist schon ein Leben für das der halben Welt?

Merken: Nicht Joel Ziehtochter zu töten versuchen!

Joels Reaktion ist absehbar: Er tötet Marlene, schnappt sich ein Auto und verschwindet aus Salt Lake City. Einen Cut später wacht Ellie am Beifahrersitz auf.

Lügen, Lügen

Sie fragt Joel, was geschehen ist. Logisch, sie hat ja auch keine Erinnerung an irgendetwas, nachdem sie fast ertrunken wäre. Und was macht Joel? Er lügt. Er lügt dem Mädchen ins Gesicht und behauptet, die Fireflies hätten nichts machen können. Er schaut diesem kleinen Ellen-Page-Verschnitt in die Augen und sagt, sie hätten aufgegeben, hätten kein Impfung herstellen können. Die Sache mit Mord, Totschlag und blutiger Vergeltung wird geflissentlich ignoriert.

Auf den ersten Schock hin – ich meine, ernsthaft Joel (!?!?) – kommt wieder ein Cut, die Jahreszeiten wechseln und man spielt noch ein letztes Mal aus Ellies Perspektive. Die beiden sind zurück in Jackson. Sie klettern wie das eingespielte Team, das sie sind, über Hügel und Mauern und schließlich hält Ellie Joel an. Sie vermutet etwas. Sie fragt ihn, ob er sie belogen hat, ob es wirklich so passiert ist. Und was macht Joel?

Er lügt weiter. Und damit endet das Spiel.

Das war’s?

Als Spieler sitzt man jetzt vor dem Bildschirm, starrt vor sich hin und fühlt sich betrogen. All dieser Scheiß, die Bloaters, die Kannibalen, die Plünderer und der ganze Tod und Verrat, für das?! Dafür zur verdammten, clicker-verseuchten Hölle hat man diesen ganzen Dreck gemacht?!

Ich habe meinen Controller in ein Eck geworfen und wütend vor mich hin gestarrt. Ein wenig später habe ich mir dann aber Gedanken über das Ende gemacht – natürlich hat es mich nicht losgelassen. Und dabei ist mir etwas bewusst geworden:

Das Ende von The Last of Us ist perfekt.

Es lässt einen mit einem Gefühl Verrat, von Wut und Enttäuschung zurück. Es zeigt einem, dass nichts, was man gemacht hat, irgendwelche Auswirkungen auf diese Welt hatte. Und genau das ist das Ende, das diese Geschichte braucht. Denn dieses Gefühl der Ohnmacht, mit dem es einen zurücklässt, spiegelt nicht nur Ellies Emotionen am Ende des Spiels wider, sondern auch Joels, der mit dieser Schuld leben muss.

Und letzten Endes zeigt es auch die Lage dieser Welt, deren Bewohner von Tag zu Tag leben und überleben müssen, ohne zu wissen, was später kommt und ohne je die Hoffnung haben zu können, dass irgendwann einmal alles besser werden könnte. Nichts, was sie tun, macht etwas besser. Ein Gefühl, das dem Spieler durch das Ende besser vermittelt wird, als wenn es ihm noch so oft gesagt würde.

In diesem Sinne: Chapeau, Naughty Dog! Chapeau!


Bildmaterial © Naughty Dog

Autor/Autorin

Clemens Istel

Schon als Kind hatte Clemens lieber den MegaDrive Controller als das Fläschchen in der Hand. Rund ein Vierteljahrhundert macht er bereits virtuelle Welten unsicher. Ob RPG oder FPS, kaum ein Genre ist vor ihm sicher. Selbst im ESport hat der "Head of Head off" von Screaming Pixel seine Erfahrungen gesammelt. Grundsätzlich gilt für ihn: Je openworlder, desto zock!