Im französischen Action-Adventure Vampyr hängt der Schwierigkeitsgrad direkt mit unseren Entscheidungen zusammen. Von Florian Born.
Vampyr, der aktuelle Titel von Dontnod Games, stellt uns konstant vor Entscheidungen. Wir müssen wählen, welche Art von Vampir wir denn sein wollen, während wir langsam aber sicher die Geschichte des Arztes/Blutsaugers Jonathan Reid erleben. Wen töten wir? Wen lassen wir am Leben?
Im Gegensatz zu Mass Effect oder Knights of the Old Republic schlagen sich unsere guten oder bösen Taten aber nicht in einem Karma-Wert in rot oder blau nieder. Wir bekommen in Vampyr auch keine supertollen Fähigkeiten dafür, dass wir entweder Helfer oder blutrünstiges Monster werden. Wir schalten nicht einmal spezielle Dialogoptionen frei. Zumindest nicht so plump, wie man es aus anderen Games kennt.
Der Anfang ist ziemlich düster © Focus Home Interactive
Stattdessen beobachten wir die Auswirkungen unserer Entscheidungen in der halboffenen Spielwelt. Geben wir den guten Samariter, werden die vier Bezirke Londons, in die wir während dem Game geworfen werden, florieren. Die Leute werden über die spanische Grippe hinwegkommen, die gerade in den Straßen wütet.
Entscheiden wir uns aber für den Weg des gnadenlosen Monsters, stürzt die ohnehin schon instabile Stadt völlig ins Chaos. “Hostile” steht dann beim Stabilitätsmesser der Bezirke. Ihr könnt euch ausrechnen, was in diesem Fall bei einem nächtlichen Spaziergang passiert.
Die Bösen haben’s leicht
Aber eine Spielwelt, die sich verändert und auf unsere Aktionen reagiert, kennen wir ja schon aus The Witcher 3 und zig anderen Titeln. Deshalb geht Dontnod noch ein Stück weiter. Je nach unserer Spielweise – gut oder böse – verändert sich auch der Schwierigkeitsgrad von Vampyr.
London schaut wirklich nicht berauschend aus. © Focus Home Interactive
Dafür haben sie ein System entwickelt, bei dem man für eine bestimmte Aktion überdimensional viele Erfahrungspunkte bekommt. Ihr könnt sicher erraten, worum es geht: Blutsaugen. Spielen wir den bösen Vampir und genehmigen uns im richtigen Augenblick einen großen Schluck Blut von den unbescholtenen Bürgern Londons, erhalten wir einen XP-Boost.
Dieser richtige Moment will übrigens gut gewählt sein: Gesunde Londoner bringen mehr XP. Gleiches gilt auch für jene, über die wir schon besonders viele Geheimnisse erfahren haben. Es ergibt sich ein Drahtseilakt, der sich aber rentieren kann. So ein Biss bringt teils 100 mal mehr Erfahrung als ein Kampf gegen irgendein dahergelaufenes Monster.
Die Guten haben’s schwer
Aber was ist, wenn wir keinen bösen Vampir spielen wollen? Wenn wir London als eine schönere Stadt zurücklassen wollen, als wir sie vorgefunden haben? Sprich: Was passiert, wenn wir keine armen Leutchen aussaugen wollen, wenn sie uns doch nichts getan haben?
Unseren Feinden ist egal, wie mächtig wir sind © Focus Home Interactive
Dann entgehen uns große Mengen an Erfahrungspunkten. Das wird schon nicht schlimm sein, sollte man meinen. Es führt aber zu einem gehörigen Level-Unterschied zwischen uns und unseren Feinden. Denn denen ist das relativ egal, ob wir nun gut oder böse sind. Die leveln einfach fröhlich weiter.
In anderen Worten: Spielen wir den netten Doktor, der den Leuten nur helfen will – schluchz, schluchz, schnief – sind die Kämpfe signifikant schwerer. Wir werden dafür bestraft, wenn wir nett sind, wenn wir Leben schonen und uns für die Gesundheit der Bürger einsetzen.
Der rechte Weg ist schwer einzuhalten
Es erfordert dementsprechend viel Sturheit und Durchsetzungsvermögen, wenn wir am rechten Weg bleiben wollen. Jeder Kampf wird kniffliger und jeder Hals eines Bürgers verlockender. Wir könnten es uns so viel leichter machen, wenn wir einfach von ein paar Leuten trinken. Vampyr selbst weist uns in den Ladebildschirmen darauf hin:
Jaja. Wissen wir… © Focus Home Interactive
Damit hat das Team etwas Beeindruckendes geschafft: Anstelle einfach nur von der schweren Bürde des Vampirismus zu erzählen, die wir aus so vielen Geschichten kennen, überträgt es sie auf uns. In Vampyr muss nicht nur Dr. Jonathan Reid mit seinem Blutdurst leben, sondern auch wir.
Damit schafft es Dontnod auch, dass ich gerne über die pseudo-intellektuellen Sequenzen, die Anwandlungen von Lyrik und die sich wiederholenden Dialog-Szenen hinwegsehe. Ich kann mir sogar das einsteiger-unfreundliche Kampfsystem schönreden.
Gleichzeitig schlägt Vampyr so übrigens auch eine Brücke zur Realität. Denn im Spiel, wie auch im wahren Leben ist der Weg des Guten nicht immer der leichteste…
Uff…Entschuldigung… Die pseudo-intellektuellen Anwandlungen sind scheinbar ansteckend…
Titelbild © Focus Home Interactive
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