Was ist ein Spiel? Spoiler: Es hat nichts mit Spass zu tun.

Laut der Entwicklerin und Autorin Jane McGonigal haben alle Spiele vier Punkte gemeinsam. Von Florian Born.

Was ist ein Spiel? Diese Frage klingt so simpel, wenn man sich aber näher damit beschäftigt, merkt man, wie schwierig es doch ist, eine vernünftige Antwort darauf zu finden. Rollen wir die offensichtlichen Versuche mal auf:

Der erste Zugang ist zu sagen, Spiele sind etwas, das uns Spaß macht. Das trifft die Sache aber nicht wirklich. Zum einen, weil man sich bei manchen Leuten nicht mehr so sicher sein kann, ob ihnen ein Spiel wirklich Spaß macht. Ihr wisst, wer ihr seid, ihr Controller durch den Raum werfendes Volk. Zum anderen gibt es auch andere Dinge – ganz abgesehen von Spielen – die uns Spaß machen.

Es ist auch sicher nicht ihre digitale oder analoge Natur. Wir kennen beides. Der Eisatz von Spielfiguren, Karten, Würfeln oder sonstigem fallen auch flach. Verstecken oder Fangen kommen ja auch gut ohne all das aus. Spiele sind sie trotzdem.

Wir brauchen eine Definition von „Spiel“, die alles einschließt. Oder zumindest brauche ich sie, damit ich Nachts ruhig schlafen kann, weil ich dann weiß, dass die Welt brav geordnet ist.

Eine fertige Definition

Zu unserem – oder meinem – Glück gibt es eine ziemlich ausführliche Definition von Spielen, auf die wir zurückgreifen können. Die hat die Entwicklerin Jane McGonigal in ihrem Buch Besser als die Wirklichkeit! Warum wir von Computerspielen profitieren und wie sie die Welt verändern aufgestellt. Das ist trotz verdammt langem Titel äußerst empfehlenswert und weil wir zu faul sind, selbst eine aufzustellen, verwenden wir einfach diese.

Laut McGonigals Erklärung haben Spiele auch nichts mit Spaß zu tun. Stattdessen definiert sie vier Punkte, die ein Spiel braucht, um ein Spiel zu sein.

1. Ein Spiel braucht ein klar definiertes Ziel

Jedes Spiel muss ein Ziel haben, auf das wir hinarbeiten. Oder mehrere. Logisch: Wenn es kein Ziel gibt, dann laufen Leute einfach wie aufgeschreckte Hühner rum und machen, was auch immer ihnen Spaß macht. Das kann schon ganz amüsant sein, als Spiel würde man es meistens aber nicht bezeichnen.

Im Fall der meisten Spiele ist das Ziel ziemlich klar definiert. Beim Tennis muss ich den Ball übers Netz dreschen, beim Fußball muss er ins gegnerische Tor. Beim Schach sollen wir den gegnerischen König bewegungsunfähig machen und beim Poker will ich das Geld vom ganzen Tisch einsacken.

Diese klar definierten Ziele sind auch Videospielen vorhanden. Mario muss Peach retten, Link muss Hyrule von Ganon(dorf) befreien und in Player Unknown’s Battlgrounds sollen wir als Letzte am Leben bleiben.

Im Gegensatz zu den meisten analogen Spielen sind die Ziele in Videospielen aber veränderbar. In Skyrim hat so jede Quest ihr eigenes Ziel und auch in story-lastigen Spielen wie The Last of Us verändert sich unser Ziel von Szene zu Szene. Jedes dieser Ziele ist aber auch hier immer klar definiert. Bei den meisten Rollenspielen sind sie in unserem Questlog untergebracht, anderswo bekommen wir sie aus dem Geschehen um uns herum mit.

Ganz selten gibt es Games, die kein klares Ziel haben. Als eines der wenigen Negativ-Beispiele wäre No Man’s Sky zu nennen. Vielen Spielern war nicht klar, was sie in dem gigantischen Universum von Hello Games zu tun haben. Aber auch hier gibt es als zugrundeliegendes Narrativ die Reise zum Mittelpunkt der Galaxie.

2. Ein Spiel braucht klar definierte Einschränkungen oder Regeln

Hier gilt das Gleiche wie beim Ziel. Wenn die Spielerinnen und Spieler tun können, was sie wollen, um das Ziel zu erreichen, kann das schon ganz lustig ausschauen. Ich glaube aber nicht, dass wir etwas als Spiel bezeichnen können, wenn alle eskalieren.

Jedes Spiel braucht klare Regeln, um funktionieren zu können. Beim Basketball darf ich mich deshalb nur bewegen, wenn ich den Ball dripple. Beim Mensch-ärgere-dich-nicht kann ich nur raus, wenn ich einen Sechser würfle und beim Uno ist allen klar, dass man nur Farbe auf Farbe und Zahl auf Zahl legen darf.

Videospiele sind auch hier wieder ein bisschen schwammiger unterwegs. Die Regeln sind oft nicht so klar definiert und es ist auch viel schwerer sie zu brechen. Das Spiel lässt uns einfach nicht – außer wir mischen uns in den Code ein. Aber es gibt sie.

3. Ein Spiel braucht ein System, um den Fortschritt anzuzeigen

Wenn ich meine Regeln und mein Ziel habe, muss ich noch herausfinden, wie nah ich meinem Ziel schon gekommen bin. Und tatsächlich weist jedes Spiel eine Möglichkeit auf, uns genau das zu sagen.

Beim Tennis zum Beispiel zählt der Schiedsrichter den Punktestand mit und bei Monopoly können wir auf unser Geld und das unserer Mitspieler schauen und mitverfolgen, wer wann bankrott geht.

In Videospielen haben wir Killcounter, Questlogs oder die Story, die uns sagen, was wir schon geschafft haben. In The Witcher weiß ich recht gut, was ich für meine jeweiligen Ziele noch erledigen muss. In Smash Bros. sehe ich meine Leben und die meiner Gegner und wie viel Prozent jeder schon hat.

Manche Spiele sagen uns aber auch nur durch die Story, wie weit wir schon gekommen sind. In Uncharted 4 ergibt es sich aus den Dialogen der Charaktere. Andere Spiele lügen uns an, um uns im Glauben zu lassen, wir wären näher an unserem Ziel, als wir denken.

4. Ein Spiel muss auf dem Prinzip der Freiwilligkeit erfolgen

Das ist die letzte Regel eines Spiels: Wenn wir es nicht freiwillig spielen, sondern von irgendjemandem dazu gezwungen werden, ist es kein Spiel mehr. Dann ist es Arbeit. Das gilt für Curling, Dark Souls und jedes MMOG der Welt. Böse Zungen könnten nun anmerken, dass MMOs sowieso immer in Arbeit ausarten, aber wir sind mal nicht so und glauben, dass WoW-Spieler doch immer noch um des Spaßes Willen dabei sind.

Dieser letzte Punkt bringt auch den Spaß wieder in die ganze Geschichte rein. Denn nur wenn uns ein Spiel Freude bereitet, werden wir freiwillig daran teilnehmen. Dadurch hebt sich ein Spiel auch von schnöder Arbeit ab. Denn Regeln, Ziele und Methoden, uns zu zeigen wie weit wir schon sind, kennen wir ja auch aus dem Arbeits-Alltag.

Ob Videospiele nach dieser Definition überhaupt noch Spiele sind, ist selbstverständlich die Frage wert. Und bevor ihr uns in den Kommentaren rügt, seid versichert: Darüber lassen wir uns auch noch aus.


Titelbild @ Ubisoft

[amazon_link asins=’3453167813,0008106339,3451304945′ template=’ProductGrid‘ store=’screamingpixe-21′ marketplace=’DE‘ link_id=’c0b0178f-569d-11e8-8382-5f95c3b5b564′]

Autor/Autorin

Clemens Istel

Schon als Kind hatte Clemens lieber den MegaDrive Controller als das Fläschchen in der Hand. Rund ein Vierteljahrhundert macht er bereits virtuelle Welten unsicher. Ob RPG oder FPS, kaum ein Genre ist vor ihm sicher. Selbst im ESport hat der "Head of Head off" von Screaming Pixel seine Erfahrungen gesammelt. Grundsätzlich gilt für ihn: Je openworlder, desto zock!

Deine Mail-Adresse wird nicht gepostet. Die benötigten Felder sind markiert*