Gast Kommentar
Nicht nur uns beschäftigen Videospiele und ihre Macher. Auch diverse Gäste bieten spannende Perspektiven auf aktuelle Themen und bekommen auf Screaming Pixel eine Chance, ihre Meinung kundzutun.
Spielen – Jeder tut es. Doch warum ist Spielen wichtig? Woher kommt das Spiel überhaupt, was macht ein gutes Spiel aus und warum hat man es im Leben leichter, wenn man spielt? Im Interview erzählt Arno C. Hofer wie Spiele entstehen und erklärt, wie sie mit Mathematik zusammenhängen. Er will zeigen, dass Spiele eben nicht nur „für Kinder“ sind. Spielen ist das Natürlichste und Schönste der Welt.
Screaming Pixel: Brot und Spiele. Ist das wirklich das, was die Menschen zusammenhält?
Arno C. Hofer: Nein, Brot und Spiele ist, wenn man es als Terminus technicus nimmt, eigentlich ein Herrschaftsinstrument. Man konnte auf Spiele wetten und damit Geld gewinnen. Das Spiel wurde zur Spekulation, man konnte damit reich werden. Und jeder träumt doch vom großen Reichtum. Aber spielen ist doch viel mehr als Geld.
Träumen sie auch vom großen Reichtum?
Ich habe den großen Reichtum bereits erreicht. Aber nicht finanziell oder materiell. Sondern ich habe Erfahrungsreichtum, Ideenreichtum, Wegereichtum, und so weiter und sofort. Also, ich habe das, was das Leben wirklich ausmacht. Ich kann mich mit jedem unterhalten, ich brauche mich niemanden mehr unterwerfen.
Das Motto von Ludovico ist ein Zitat von Albert Einstein: „Das Spiel ist die höchste Form der Forschung“. Ist das auch ihr persönliches Lebensmotto?
Auf jeden Fall. Mehr über diesen Planeten, das Sonnensystem, über Kommunikation und Essen und Trinken zu lernen, sollte eigentlich unser Ziel sein. Man kann zwar viel in Büchern lesen, aber die empirische Erfahrung ist noch immer die beste, die man machen kann. Deswegen ist wahrscheinlich auch das Spiel vor der Mathematik gekommen, und vor dem Lesen. Es ist ein uraltes Phänomen, das Spiel. Und macht ganz einfach auch Interaktion, sowohl mit der Welt, als auch unter verschiedenen Menschen, sichtbar. Und wer das lesen kann, diese Interaktion, der hat einen unheimlichen Informationsvorsprung.
Sie haben selbst Spiele mitentwickelt. Was braucht ein Spiel, um gut zu sein?
Um in der heutigen Zeit ein gutes Spiel zu machen, braucht man schon gewisse mathematische Grundkenntnisse. Sonst ist das Spiel unausgewogen und hat überhaupt keinen Spielreiz. Dann ist es auch für die Leute uninteressant. Lustigerweise sind gute Schachspieler auch meistens gute Mathematiker. Also dürfte sich die Mathematik auch aus dem Schach entwickelt haben.
Der Name Ludovico erinnert vom Namen an den Fachbegriff Ludologie, die Lehre des Spielens. Braucht Spiel eine wissenschaftliche Disziplin?
Der Name setzt sich zusammen aus dem lateinischen „ludos“ (Das Spiel) und „vincere“ (siegen). Da bin ich auf Ludovico gekommen. Ludovico war so schön, so rund, so italienisch, hat sehr gut gepasst. Die Ludologie könnte eine total interdisziplinäre Wissenschaft sein. Das heißt, mit Verbindungen zur Mathematik, der Pädagogik, der Soziologie, der Spieltheorie. Mit Verbindungen zur Politik und zu den Medien. Eigentlich sollte sie eine totale Basiswissenschaft sein.
Es gibt in der Forschung rund um Spiele zwei Ansichten, die sich gegenüberstehen. Die Narratologie, also der literarische Bezug zum Spielen, und die Ludologie als angewandten Bezug. Welche der beiden Ansichten vertreten Sie?
Ein drittes Jahrtausend ohne narrative Spiele ist unvorstellbar. Jedes Spiel erzählt irgendeine Geschichte, außer die, die man total abstrahiert hat. Zum Beispiel Abalone, das hat man total abstrahiert. In Wirklichkeit geht es da um zwei Sumoringer, die aufeinander zugehen und sich nur dann wirklich durchsetzen können, wenn sie kompakt zusammenbleiben. Aber sonst kommen in den meisten Spielen Geschichten vor. Du spielst in einer fiktiven Welt, die durchaus real sein kann.
Sie engagieren sich mit dem Verein auch im Sozialbereich. Unter anderem gibt es Vergünstigungen für Sozial- und Familiencard-Benutzer. Warum eignet sich gerade das Medium „Spiel“ so gut für den sozialen Austausch?
Weil es sehr stark mit dem Wesen des Menschen spielt. Wir haben uns nicht wesentlich weiterentwickelt, seit es Spiele gibt auf dieser Welt. Kindern wurde ja erst nach der Aufklärung zugestanden, dass sie spielen dürfen. Davor wurden sie wie kleine Erwachsene behandelt. Wenn ich Leute auf der Straße frage, was sie von Spielen halten, ist die häufigste Antwort: „Spiele sind für Kinder“. Das finde ich immer wieder traurig. Der Generationenaustausch, der findet momentan eher zu wenig statt.
Beim Spielen geht es ja besonders um Emotionen und auch ums sich Ärgern. Wann haben Sie das letzte Mal aus Wut ein Spielbrett abgeräumt?
Ich kann mich überhaupt nicht daran erinnern, so etwas jemals gemacht zu haben.
Aber das ist doch das Normalste der Welt, das machen ja auch schon Kinder.
Jaja. Nur wir verhalten uns nach einer anderen Philosophie. Wenn man nicht gewinnt, gewinnt man trotzdem. Es gewinnen alle. An Erfahrungen. Ich habe nur die Erfahrung gemacht, wenn man ein und dasselbe Spiel mehrfach gewonnen hat, dann macht das sehr einsam. Weil niemand mehr mit einem spielen will.
In der Kleinen Zeitung sagten Sie: „Wer spielt tut sich leichter im Leben, er weiß, dass man viele Wege nehmen kann um ans Ziel zu kommen“. Wenn man ihren Lebenslauf durchsieht, haben sie auch viele Wege genommen. Haben Sie dieses Zitat aus ihrem eigenen Leben abgeleitet?
Auch, ja. Es war oft nicht leicht, und mir wurde gesagt, dass Ludovico schnell vergessen sein wird. Aber ich habe weitergemacht und jetzt bin sehr glücklich mit dem, was wir uns aufgebaut haben. Ich hätte nie im Leben damit gerechnet, dass mir so eine wunderschöne Aufgabe in die Hände fallen würde. Auch wenn es über einige Umwege geschehen ist.
Titelbild: ©Ana Lagger
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