Nach Jahren im Esport suche ich neue Herausforderungen. In Dead Cells konnte ich sie finden. Eine persönliche Entwicklung. Von Clemens Istel
Am Rande vernahm ich schon zu seinen Early Access-Zeiten die Lobeshymnen zu Dead Cells. Ein schickes kleines Metroidvania von den Leuten bei Motion Twin. Wie es der Zufall will, erschien das gute Stück nur wenige Tage nach meiner errungenen Platintrophäe für Monster Hunter World als physikalischer Release auf der Nintendo Switch.
Alles, was ich am Esports geliebt hatte, fand sich hier wieder. Nur komfortabler. Dead Cells tritt einem von Anfang an kräftig dorthin, wo es weh tut, belohnt aber im nächsten Moment jeden noch so kleinen Lerneffekt. Für einen etwas aus der Übung gekommenen Spieler wie mich, ist das erste Level zunächst eine respektvolle Hürde.
Warum sich quälen?
Ich bin nicht nur seit 25 Jahren Gamer, ich war auch einen überwiegenden Teil davon Esportler. Nie gut, geschweige denn gut genug, um Geld damit zu verdienen. Aber auf einem semi-professionellen Level ganz passabel. Der über allem thronende Erfolg war aber ohnehin nie der Grund, warum ich Tage und Nächte in Counter-Strike verbracht habe.
Es war die Herausforderung, eine Disziplin zu meistern. Das Kräftemessen mit anderen war am Ende nur das Werkzeug, um den eigenen Skill-Fortschritt zu bestätigen. Für mich lag die Faszination im ständigen Dazulernen. Gemeinsam mit mehr oder weniger Gleichgesinnten war der Weg das Ziel.
Doch irgendwann kommt der Punkt, an dem sich der Lernaufwand in Spielen und die Verpflichtungen des Lebens nicht länger im Rahmen des gregorianischen Kalenders in Einklang bringen lassen. Es war schlicht keine Zeit mehr übrig, um zwischen Job, Vollzeitstudium und dem ohnehin schon kleinen Rest Privatleben aktiv an Taktiken, Reaktionszeit und Config-Settings zu feilen.
Lang lebe der Esportler
Ich verlor den Spaß an der Sache. Meine Fähigkeiten reichten nicht länger, um mit den bisherigen Teammitgliedern mitzuhalten und die mitunter fürchterlich toxische Community tat das Ihre, mir jeglichen Reiz für eine Rückkehr zu verwehren. Aber tief in mir bleibt dieser Drang, mich Herausforderungen zu stellen.
Wie aber sollte ich mit den begrenzten zeitlichen Ressourcen überhaupt wieder in irgendetwas so gut werden, dass ich mit mir selbst zufrieden wäre? Die erste Antwort darauf war Monster Hunter World. Den vielen Viechern den Garaus zu machen, indem ich ihre Bewegungen studierte, machte selbst in kleinen Häppchen Spaß.
Beobachten, lernen, anpassen ist die Essenz von Monster Hunter. © Capcom
Doch der Fortschritt hing nicht nur von meinem Skill, sondern auch der entsprechenden Ausrüstung ab. Die wollte in mühevoller Arbeit gesammelt werden und aus den kleinen Häppchen von Bosskämpfen wurden über die vergangenen Monate weit über 300 Spielstunden. Das Spielprinzip – und die kostenlosen Content-Updates – hatten mich völlig eingesaugt. Nachdem ich nun tatsächlich mit der Platintrophäe in meinem PSN-Account angeben darf, entdeckte ich in Dead Cells die perfekte Alternative.
Balance und das komplette Paket
Nachdem ich mich mit der Steuerung vertraut gemacht hatte, war ich bald im nächsten Skill-Level angekommen. Ich durchpflügte das erste Level immer schneller, scheiterte vorerst aber noch an den folgenden. Parallel lassen sich aber nach und nach einige Fertigkeiten freischalten, die fortan sinnvoll den steigenden Skill unterstützen.
Dadurch bleiben nach dem obligatorischen Ableben etwas mehr gesammelte Goldstücke beim Neustart erhalten, dürfen wir aus besseren freigeschalteten Startwaffen wählen oder führen einen größeren Heiltrank für Notfälle mit. So brachial Dead Cells jeden Fehler des Spielers bestraft, es geschieht nie ohne einen zumindest kleinen Funken Erfolgserlebnis.
Der erste Boss ist eine erfrischende und furchteinflößende Überraschung. © Motion Twin
Entweder haben wir eines der zufällig generierten Level wieder etwas weiter erforscht, oder wir haben unterwegs neue Items und Verbesserungen freigeschaltet. Und wir haben gelernt! Die Steuerung geht immer mehr in Fleisch und Blut über, die Attacken der Gegner überraschen uns mit jedem Durchgang weniger. Als Open-World-Freund und begeisterter Sammler in derartigen Spielen drückt Dead Cells also gleich mehrere richtige Knöpfe bei mir.
Zudem passt der Spieltyp ideal in ein Erwachsenenleben, in dem für die endlos wirkenden 90 Minuten Matchzeit keine Zeit ist, vor denen Counter-Strike: Global Offensive paradoxerweise selbst in seinen Wettkampflobbys warnt. In Dead Cells bestimmen wir selbst, wie groß die Portionen an Spielerfahrung sind. Jederzeit speichern, jederzeit an Ort und Stelle weiterspielen.
Dead Cells ist ein sicherer Hafen. Ein Hafen, in dem der masochistische Drang, immer und immer wieder zu scheitern, zu wahrer Spielfreude verschmilzt.
Und dank Nintendo Switch darf ich mir fortan auch aussuchen, ob ich der Herausforderung lieber klassisch auf der Couch, am Schreibtisch oder in der Hängematte am Balkon entgegentrete. Ach, wie war das? Dark Souls gibt’s jetzt auch auf dem Ding? Challenge accepted.
Titelbild © Motion Twin
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